© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Für das Klima, gegen Rechts
Kampagne II: Die linke Nichtregierungsorganisation Campact will den Einzug konservativer CDU-Kandidaten in den Bundestag verhindern
Christian Vollradt

Die alte Weisheit des Volksmunds „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert“ hat sich offenbar auch die linke Kampagnenorganisation Campact zu Herzen genommen. 2019 wurde dem Trägerverein, eingetragen mit den Schwerpunkten „Förderung der Volks- und Berufsbildung sowie der Studentenhilfe, allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens, Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“, die Gemeinnützigkeit und damit steuerliche Vorteile aberkannt. Hintergrund war das sogenannte Attac-Urteil des Bundesfinanzhofes. Demnach haben gemeinnützige Körperschaften kein allgemeinpolitisches Mandat, sind also nicht berechtigt, „Forderungen zur Tagespolitik bei Kampagnen zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen.“ 

Den Rückschlag scheint die Organisation in einen Vorteil verwandelt zu haben. Zwar sind die Steuervorteile flötengegangen, doch ebenso auch die damit verbundenen Auflagen. Laut FAZ konnte man in den drei Jahren sogar die Zahl der Mitarbeiter von 60 auf 100 erhöhen. Der Etat von insgesamt 13,7 Millionen Euro gehe vor allem auf die rund 86.000 Förderer zurück, die monatlich im Schnitt 9,39 Euro spendeten.

So kann Campact nun ganz offen in den (partei-)politischen Wettbewerb eingreifen. Ins Visier hat der Verein jetzt mit Blick auf den 26. September konservative Unions-Abgeordnete genommen, die es dank eines Direktmandats in den Bundestag geschafft haben, aber nicht mit einem aussichtsreichen Listenplatz abgesichert sind. Deren Wahlchancen will man mittels „negative campaigning“ verhageln.

„Hier sammelt sich der rechte Rand der Partei“

Prominentestes Beispiel ist dabei ein Kandidat, der noch nicht im Bundestag sitzt: Hans-Georg Maaßen (CDU). In seinem Wahlkreis 196 sollen die Wähler den SPD-Kandidaten Frank Ullrich unterstützen, fordert Campact. Laut einer von der Organisation in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage von Ende Mai, laut der 23 Prozent der Befragten für Ullrich und 20 Prozent für Maaßen votieren würden. 

Bei solch einer knappen Ausgangslage fordert der offiziell parteipolitisch unabhängige Verein potentielle Wähler von Linkspartei und Grünen auf, mit der Erststimme den SPD-Kandidaten zu wählen, um den Einzug Maaßens, der nicht listenabgesichert ist, in den Bundestag zu verhindern. Schließlich sei der frühere Chef des Verfassungsschutzes „hochgradig demokratiezersetzend“, findet Campact. 

Bezüglich weiterer Zielobjekte gibt sich die Organisation schweigsam. Allerdings trudelte bei denen, die sich im E-Mail-Verteiler der Berliner registriert haben, jüngst eine Nachricht mit der Betreff-Zeile „Sylvia Pantel ist gefährlich“ auf. Die im Wahlkreis Düsseldorf-Süd direkt gewählte und dort auch wieder antretende Christdemokratin sei „eine rechte Netzwerkerin“ und verharmlose den Klimawandel. „Hinzu kommt: Die 60jährige sympathisiert mit der rechtskonservativen Werte-Union und ist Sprecherin des Berliner Kreises – hier sammelt sich der rechte Rand ihrer Partei“, schreibt Campact. Pantels Wahl sei noch lange nicht sicher – „und Sie können helfen, ihren Wiedereinzug zu verhindern.“ Eine repräsentative Umfrage zeige, daß auch ihre Gegenkandidaten Andreas Rimkus (SPD) und Sara Nanni (Grüne) die „realistische Chance, den Wahlkreis zu gewinnen“ hätten. „Das Problem: Die beiden liegen sehr dicht beieinander“, schreiben die Kampagnen-Leute. Und sie liefern gleich Internetseiten mit, auf denen man sich über beide informieren kann. Sodann motiviert man den Empfänger, er solle bei Campact die von ihm präferierte Pantel-Alternative mitteilen. Ziel ist dann offensichtlich, den chancenreichsten Gegenkandidaten zu fördern. Zwar sei und bleibe Campact überparteilich, aber „wir haben ein klares politisches Ziel: den Klimawandel stoppen und einen Rechtsruck der Union verhindern.“ Daher unterstütze man „aussichtsreiche progressive Gegenkandidat*innen“. Denn „gemeinsam können wir Sylvia Pantels Wiederwahl verhindern.“

Daß es Campact dabei auch mal mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, hatten die „Fakten-Checker“ der Deutschen Presse-Agentur (dpa) schon im Juni festgestellt und der Organisation falsche, überzogene und aus dem Zusammenhang gerissene Behauptungen nachgewisen, etwa wenn es um die Aussagen der Union zur Förderung des öffentlichen Personenverkehrs oder ihre angebliche Behinderung des Ausbaus der Windenergie geht.

Die meisten der anderen in Frage kommenden Abgeordneten oder Kandidaten haben von der Aktion persönlich nichts mitbekommen und wollen das Ganze deswegen auch nicht kommentieren. Nach dem Motto: Bloß nicht noch aufwerten. Ein christdemokratischer Parlamentarier gibt sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT betont gelassen. Wer vor Ort verwurzelt ist und in seinem Wahlkreis dementsprechend viel Rückhalt habe, den könne das nicht schrecken. Campact? Die seien – anders als die CDU – in seinem Kreis nicht kampagnenfähig.