© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Tofu der Woche
Auf die Pelle rücken
Christian Vollradt

Kommste vonne Schicht, wat schön’ret gibt et nicht – als wie Currywurst“, reimte einst Herbert Grönemeyer. Der aus dem Ruhrpott stammende Barde mußte es wissen. Die Currywurst, das ist ein „ehrliches“ Gericht. Ohne Schickimicki, sättigend, herz- und schmackhaft, genau das Richtige für Gaumen und Magen des Malochers. Wo Schornsteine qualmen, Verbrennermotoren rußen, da duftet es auch nach Curry und Fritteuse. Deswegen hat das pikante Fleischbrät im Darm sein Habitat auch in Wolfsburg. In der Kantine von Volkswagen gehört es wie in vielen anderen der Republik zu den Lieblingsessen der Angestellten. Die eigens dort produzierten Würste sind in der Region so beliebt, daß es sie sogar im Supermarkt zu kaufen gibt. So können auch Opel- oder Toyotafahrer Kraft tanken und Freude schmecken. Mancher Konsument lästerte darob, VW sei in Wahrheit eine Fleischerei mit angeschlossenem Autohandel. Doch nun geht’s in Wolfsburg um die Wurst, genauer um deren Ende. In der Kantine des Markenhochhauses am Mittellandkanal soll der Gastro-Klassiker nach den Werksferien verschwinden und einer internen Ankündigung zufolge künftig rund 150 fleischfreien Alternativen weichen. Man sehe das als Beitrag zum Klimaschutz und zu mehr Nachhaltigkeit. Wen wundert’s, wenn parallel dazu der Golf nicht mehr dieselt (und sonor nagelt), sondern eher einer Apple-Watch auf vier Rädern ähnelt? Auf den Vorhalt, Volkswagen würde sich wieder einmal dem politisch-korrekten Zeitgeist andienen und die Veggie-Welle reiten, entgegnen Zyniker, daß der Konzern strenggenommen doch eigentlich nur zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Schließlich stand an der Wiege der 1937 gegründeten „Gesellschaft zur Vorbereitung des Volkswagens mbH“ (GeZuVor) auch ein überzeugter, Gemüsebrei verschlingender Vegetarier. Na dann, Mahlzeit!