© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Grüße aus … Brüssel
Sachfremde Einmischung
Albrecht Rothacher

Nach einem Jahr im Corona-Exil in den Kärntner Alpen ist es Zeit, einmal wieder in der Hauptstadt Europas vorbeizuschauen. Der erste Eindruck ist positiv. Die Gastronomie und die Frisöre haben geöffnet. Zahnarzt-Termine klappen, und ein kleines Nachbarschaftsfest feiert mit einer Zwei-Mann-Kapelle die neu-alte wahrscheinlich nur vorübergehende Freiheit. Der Weg durch mein altes Dienstgebäude des Auswärtigen Dienstes dann allerdings ist gespenstisch. Fast alles ist völlig dicht: Cafeteria, Kantine, Pressezentrum, Konferenzräume. 

In den meisten Büros gähnende Leere. Eine Sekretärin packt grad ihre Siebensachen für ihre Versetzung nach Ulan Bator.  Zwei ehemalige Kollegen huschen vorbei. Man wird kurz und höflich gegrüßt. Die typische Pensionistenbehandlung halt. Mein altes Büro, samt Akten und Inventar für meinen Nachfolger, ist aufgelöst und zu einer leeren Sitzecke umgestaltet. Auch sonst jede Menge neuer offener Großraumbüros. Früher mußten wir in der Rußland-Abteilung immer alles abschließen! 

Die meisten Beamten scheinen sich nach 16 Monaten Fernarbeit von ihrem Job entfremdet zu haben.

In dieser Leere soll sich auch der Europäische Generalstab befinden. Es wird spannend sein, wie der jetzt seine Planungen per Videokonferenz macht und seine Truppen für Übungen oder gar den Ernstfall zusammentrommeln will. Zur besten Bürozeit treffe ich einen meiner Ex-Chefs beim Flirt mit einer hübschen Amerikanerin in einer nahen Kneipe. Er will sich aber nicht stören lassen. Das verstehe ich.

Die meisten Beamten scheinen sich nach 16 Monaten Fernarbeit von ihrem europäischen Job gründlich entfremdet zu haben. Statt der früheren Zehn-Stunden-Tage mit Endlos-Konferenzen und Dienstreisen arbeiten sie jetzt ein paar Stunden pro Woche in Heimarbeit aus ihren Heimatländern – und derzeit von den Gestaden des Mittelmeers – das nötige Minimum für einige Video-Konferenzen und ein paar Papiere und E-Mails. 

Die wenigen, die mehr leisten wollen, sind verbittert über die Abgehobenheit und die einsamen doktrinären Entscheidungen des 13. Stocks des Berlaymonts, wo Frau von der Leyen und ihr sozialistischer Vize Frans Timmermans residieren. Sie haben dort eine Parallelverwaltung von hochrangigen teuren Beratern aufgezogen, die sich überall sachfremd einmischen und auch an den meisten anderen Kommissaren vorbeiregieren. Corona und der neue Zentralismus haben das alte Kollegialsystem zerstört. Das kann auf die Dauer nicht gutgehen.

Dann instruktive Gespräche mit Freunden aus der ID-Fraktion am Square Lux im Dunstkreis des Parlamentes, darunter auch Markus Buchheit, einem sehr aktiven Abgeordneten. Leider steht es um FPÖ und AfD aus Brüsseler Sicht dank innerer Schwächen derzeit nicht so glorreich.