© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Die gescheiterte Planwirtschaft hat wieder Konjunktur – aber warum?
Politiker ticken anders
Ulrich van Suntum

Vor drei Jahrzehnten schien alles klar: Der Kommunismus war zusammengebrochen, die westlichen Marktwirtschaften hatten sich der östlichen Planwirtschaft als haushoch überlegen erwiesen. Begierig nahmen Politiker und Wissenschaftler von dort den ökonomischen Liberalismus auf, den sie bisher nur als Irrlehre des Klassenfeindes kennengelernt hatten. Inzwischen ist wieder alles anders: Überall übernimmt erneut der Staat das Kommando mit Energie- und CO2-Verbrauchsvorgaben für einzelne Produkte und Sektoren, Quoten, Mindestlöhnen und Höchstmieten. Trotz der negativen Erfahrungen zeichnet sich damit ein später Sieg des Sozialismus ab.

Die meisten Spitzenpolitiker und Ministerialbeamten sind Juristen, sie denken daher eher in Normen und Vorschriften statt in Anreizen und ökonomischen Wirkungsketten. Zudem hat sich der Zeitgeist unter dem Einfluß linker Pädagogen zuerst in den Schulen, dann in Medien und Parlamenten zugunsten eines vormundschaftlichen Staates verschoben. Schon im Kindergarten wird beigebracht, daß nur die Politik die Umwelt vor Profitgier schützen und für soziale Gerechtigkeit sorgen kann. Radio und Fernsehen predigen bis zur Penetranz täglich das gleiche Narrativ.

Aber das erklärt noch nicht das ganze Dilemma. Denn natürlich gibt es auch in Politik und Verwaltung noch Leute mit ökonomischem Sachverstand. Es fehlt auch nicht an wissenschaftlichen Beratern, die warnen, daß Planwirtschaft nicht funktioniert. Schließlich gibt es bis heute kein einziges Beispiel für ein sozialistisches Land, das auch nur annähernd den Wohlstand und die Freiheit marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnungen erreicht hätte. Kuba, Nordkorea oder Venezuela sind abschreckende Beispiele dafür, wohin eine staatliche Kommandowirtschaft führt. Der Aufstieg von China und Vietnam gelang durch die Entfesselung der Marktkräfte – die dortigen KP-Regime ließen nur die politische Unterdrückung bestehen.

Ein zentrales Problem ist, daß ein automatisch funktionierendes Konzept, die dezentrale liberale Wirtschaftsordnung, nicht im Interesse der Politiker liegt. Denn um wiedergewählt zu werden, müssen sie Aktivität entfalten. So wäre das CO2-Problem gelöst, wenn es einen für alle Emittenten gleichen Preis oder ein generelles Zertifikatsystem gäbe. Dann hätte jeder einen Anreiz, Emissionen einzusparen und über neue Wege nachzudenken, wie dies möglichst effizient und kostengünstig geht. Aber womit sollten die Umweltminister in der Öffentlichkeit glänzen? Viel attraktiver ist es daher, immer wieder neue Sünder und Mißstände an den Pranger zu stellen. So können sich Politiker mit entsprechenden Verboten, Vorschriften und Strafzahlungen als Problemlöser inszenieren. Das politische Anreizsystem läßt sie fast zwangsläufig anders ticken, als es der ökonomischen Vernunft entspräche.

Daß Westdeutschland überhaupt eine liberale Wirtschaftsordnung bekommen hatte, war denn auch keine demokratische Entscheidung. Nur der mutige Schritt Ludwig Erhards, am 21. Juni 1948 mit Rückendeckung der Besatzungsmächte und gegen alle Widerstände die Preise freizugeben, setzte das deutsche Wirtschaftswunder in Gang. Daß er 1966 als Bundeskanzler scheiterte, paßt gut in dieses Bild. Ökonomische Vernunft scheint auf Dauer nur schwer durchhaltbar zu sein.






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Wilhelms-Universität Münster.