© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Trinkfreudig und rauflustig – weiße Männer alten Schlags
Asterix postkolonial gelesen
(ob)

Vor 60 Jahren erschien der erste Asterix-Comic über ein gallisches Dorf, das sich der römischen Besatzungsmacht widersetzt. Wenn darin eine politische Allegorie steckte, so ist sich der Literaturwissenschaftler und Publizist Florian Werner sicher (Philosophie Magazin, 5/2021), arbeitete sie gewiß nicht mit einiger Verspätung die Besatzungszeit zwischen 1940 und 1944 auf. Die wackeren Gallier verkörperten also nicht die Résistance, die tumben Legionäre Roms nicht die Wehrmacht. Vielmehr lege die Entstehungszeit eine weniger heroische Deutung nahe. 1958 erklärte Guinea als erste französische Kolonie in Afrika seine Unabhängigkeit, bis 1960 folgten weitere vierzehn Kolonien, 1962 brach mit dem Ende des Algerien-Krieges Frankreichs Kolonialreich auf dem Schwarzen Kontinent endgültig zusammen. Die Parallelen zwischen „Astérix le Gaulois“ und der Dekolonisation lägen daher auf der Hand. Allerdings nur, wenn man mit Werner kühnen „postkolonialen“ Interpreten folgt, für die die Bildgeschichten einer „ethnozentrischen Logik“ gehorchen. Demnach könnten sich „weiße“ Adressaten der Comic-Serie mittels „symbolischen Rollenwechsels“ mit den  afrikanischen „Galliern“ identifizieren. Angehörige eines „Tätervolks“ der Kolonialgeschichte würden so per „Selbstviktimisierung“ zu Opfern. Wobei die kolonialen Subjekte durchweg „weiße Männer von altem Schlag“ seien, trinkfreudig, rauflustig und dank ihres Zaubertranks ewig siegreich. Und „rassistische Stereotypen“ dürften nebenher ebenso gepflegt werden wie „imperialistische Klischees“, die Rudyard Kiplings Legende von der „Bürde des weißen Mannes“ eine comichafte Neuauflage bescherten. 


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