© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Energiewende und der Strompreis
Es wird teuer
Hans-Günter Appel

Durch die Energiewende hat Deutschland den höchsten Strompreis aller Industrie­länder. Wenn die Wende weitergetrieben wird, verdoppelt sich der heutige Strompreis bei gleichzeitiger Schwächung der Netzstabilität. Flächendeckende Stromausfälle sind programmiert. Die Industrie ist nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die Energiewende sei erforderlich, um das Weltklima zu retten. Das trommeln die grünen Ideologen der Bundesregierung und fast aller Parteien Tag für Tag. Die Kosten seien bei dieser Rettungsaktion nicht zu hinterfragen, denn eine „Klimakatastrophe“ würde viel teurer. Die Versicherer stützen solche Prognosen mit der Aussage, die vom Wetter verursachten Schäden würden immer höher. Sie verkennen oder verschweigen allerdings bewußt, daß mit steigendem Wohlstand in der Welt immer höhere Risiken versichert werden, die zu höheren Versicherungsleistungen führen. Die Stromverbraucher sollten jedoch einmal nachfragen, welche Kosten ihnen und dem ganzen Land durch diese Energiewende aufgelastet und zugemutet werden.

Energiewendestrom ist der Strom aus Wind-, Solar- und Biogasanlagen sowie aus Wasserkraftwerken. Er wird fälschlich oft als „öko“, „erneuerbar“ oder „regenerativ“ bezeichnet. Die derzeitigen Kosten des Energiewendestroms lassen sich ganz einfach berechnen. Zu Beginn der Energiewende im Jahr 2000 lag der Strompreis – die Kosten für Erzeugung, Verteilung und staatliche Abgaben – bei 15 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh). 2020 hatten wir rund ein Drittel Energiewendestrom in unserem Netz, und der Strompreis hat sich auf 30 Cent/kWh verdoppelt. Das führt zu der einfachen Bestimmungsgleichung: 1/3 Energiewendestrom. X Cent/kWh + 2/3 Kraftwerkstrom. 15 Cent/kWh = 30 Cent/kWh. Energiewendestrom X = 60 Cent/kWh. Danach ist der Energiewendestrom viermal teurer als der herkömmliche Kraftwerkstrom.

Doch der Strompreis klettert noch viel stärker, weil das Regeln der zunehmenden, schwankenden Wind- und Solar­leistungen auf den Verbrauch immer aufwendiger wird. Nach einem Bericht der Fachzeitschrift pv magazine verdoppelten sich allein bei Tennet, einem der vier Übertragungsnetzbetreiber, die Regelungskosten in den zurückliegenden vier Jahren auf eine Milliarde Euro. Dazu kommen steigende Kosten für eine stabile Netzfrequenz, die durch die Rotationsenergie der schweren Generatoren der großen Kraftwerke erreicht wird. Sie ist die Momentan-Reserve, die das Netz stabil hält, wenn sich Verbraucher zu- oder abschalten, bis die Kraftwerke das Netz auf den geänderten Bedarf geregelt haben. Die vom Wetter gesteuerten Wind- und Solaranlagen können diese Aufgaben nicht übernehmen. Sie bieten keine Momentan-Reserve und keinen Regelstrom.

Der weitere Ausbau der Energiewende-Stromanlagen erfordert leistungsfähigere Netze auf allen Spannungsebenen – eine extrem teure Aufgabe. Ein Strompreis von einem Euro pro Kilowattstunde dürfte deutlich überschritten werden, wenn alle Kern- und Kohlekraftwerke sowie Dieselgeneratoren vom Netz gehen und mit „grünem“ Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke die Leistungsregelung und Momentan-Reserve übernehmen.

Ein Beispiel für die Kostenentwicklung ist El Hierro, die kleinste Insel der Kanaren. Windgeneratoren und ein Pumpspeicherwerk sollten das mit Dieselmotoren betriebene Kraftwerk der Insel ersetzen. Dies ist einmal für zwei Stunden gelungen. Sonst mußte das Kraftwerk weiterhin Strom liefern. Bei einer durchschnittlichen Versorgung mit 80 Prozent Windstrom stiegen die Preise auf fast einen Euro je Kilowattstunde. Das Inselnetz hatte große Stromschwankungen, die von dem viel zu kleinen und trägen Pumpspeicherwerk nicht geregelt werden konnten. Inzwischen versorgt das Dieselkraftwerk die spanische Insel wieder allein.

Auch der Traum, nur noch Elektroautos mit „Ökostrom“ auf der Insel zu betreiben, ist verflogen. Die Klima­rettung ist den Insulanern nicht gelungen. Von den 85 Millionen Euro Investitionen (12.000 Euro pro Insulaner) hat die EU mit Steuerzahlergeld mehr als die Hälfte beigesteuert. Von einer Erfolgskontrolle des Zuschusses ist bisher nichts bekannt. Der verbleibende Investitionsbetrag führt immer noch zu hohen Strompreisen. Bei der Planung dieses „innovativen“ Projektes hat die spanische Regierung vertraglich zugesagt, einen zu hohen Strompreis zu subventionieren. Die weiteren Kosten dieses Fehlexperiments zahlen die spanischen Steuerzahler.

Das Beispiel zeigt: Der vom Wetter gesteuerte volatile Wind- und Solarstrom ist zweitklassig, da er nicht bedarfsgerecht produziert werden kann. Bei Dunkelflauten, also windstillen Nächten, fällt er ganz aus und muß vollständig durch Kraftwerkstrom ersetzt werden. Das heißt, es müssen ausreichend Kraftwerke vorhanden sein, um den gesamten Strombedarf zu decken. Energiewendestrom kann also nur den Brennstoff der Kraftwerke ersetzen. Damit liegt sein Wert deutlich unter dem Wert des regelbaren Kraftwerkstroms. Außerdem kann er nur anteilig in ein durch Kraftwerkstrom stabiles Netz eingespeist werden. Es ist eine Täuschung der Bevölkerung, wenn die Bundesregierung und viele Politiker behaupten, Strom aus Sonne und Wind sei die sichere und bezahlbare Zukunftsversorgung. Um diese Täuschung zu verdeutlichen, haben die Energiefachleute vom Stromverbraucherschutz NAEB für den Energiewendestrom die Bezeichnung Fakepower („Fake“, englisch für Täuschung) gewählt.

Die Restriktionen im Coronavirus-Jahr 2020 haben in Deutschland zwar zu einem deutlichen Rückgang des Strombedarfs geführt: Wurden 2019 noch 567,6 Terawattstunden (TWh) Strom verbraucht, waren es 2020 nur noch 544,9 TWh. Der Energiewendestrom wurde jedoch voll weiter produziert, da er nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen Einspeisevorrang genießt und über 20 Jahre lukrativ vergütet wird. Der Energiewendestrom-Anteil an der Stromversorgung ist daher deutlich gestiegen – und damit auch die EEG-Umlage, die der Verbraucher bezahlen muß. Sie hätte in diesem Jahr um 30 Prozent – von knapp 7 auf knapp 10 Cent/kWh – erhöht werden müssen, damit die Übertragungsnetzbetreiber, die für die Abrechnung der Subventionen zuständig sind, die EEG-Vergütungen an die Betreiber der Wind-, Solar- und Biogasanlagen zahlen können. Der Strompreis müßte daher in diesem Jahr um zehn Prozent von 30 auf 33 Cent/kWh steigen.

Regierungspolitiker und Profiteure sahen jedoch durch diesen starken Anstieg die Akzeptanz für die „Energiewende“ gefährdet. Ein durchschnittlicher Haushalt würde mit ca. 100 Euro im Jahr mehr belastet. Der Strompreis sollte nicht weiter steigen. So wurde nach einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 15. Oktober 2020 die EEG-Abgabe nicht nur gedeckelt, sondern sogar leicht reduziert, ohne an den Einspeisevergütungen zu rütteln. Die den Netzbetreibern fehlenden Beträge werden vom Staat beglichen. Der Stromkunde bezahlt die steigenden Kosten der Energiewende nun über seine Steuer. Die Steuer­erhöhung ist bereits Gesetz. Seit Januar dieses Jahres wird eine Steuer nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) auf Brenn- und Treibstoffe erhoben, die als CO2-Abgabe zum Klimaschutz ausgegeben wird. Heizung und Autofahren wurde teurer. Die Abgabe belastet im Mittel jeden Haushalt mit 200 Euro im Jahr. Das sind 100 Euro mehr, als für die Deckelung des Strompreises erforderlich sind. Diese Steuer soll bis zum Jahr 2025 auf mehr als das Doppelte steigen. Bündnis 90/Die Grünen fordern sogar den Faktor fünf bis sechs. Für die Umsetzung des Gesetzes sind 50 Beamte eingeplant, davon die Hälfte im höheren Dienst, der höchsten Besoldungsstufe.

Strom ist zur wichtigsten Energieform in unserem Staat geworden. Strom verlängert den Tag mit künstlichem Licht bis zum nächsten Morgen. Strom hat die Arbeit im Haushalt fast zu einer Nebensache gemacht. Eine Kilowattstunde Strom ersetzt die Arbeitskraft eines Menschen für einen ganzen Tag. Der Staubsauger leistet mit einem Kilowatt so viel wie zehn Teppichklopfer. Wasch- und Spülmaschinen machen Haushaltshilfen überflüssig. Ohne Strom müßten wir diese Arbeiten und noch vieles mehr wieder mit unserer Körperkraft übernehmen. Das wäre ein Rückschritt in vorindustrielle Zeiten. Jede Verteuerung des Stroms führt aber in diese Richtung.

Wir werden und können daher auf Strom nicht verzichten. Er ist die Basis unseres Lebensstandards. Höhere Stromkosten führen zwangsläufig zu einer Minderung der Kaufkraft. Mehr und mehr Arbeitsplätze gehen dadurch verloren. Wer Arbeitsplätze schaffen oder auch nur halten will, muß für Kaufkraft sorgen, damit die produzierten Waren und die angebotenen Dienstleistungen auch bezahlt werden können. Steigende Stromkosten treiben die Industrien aus dem Land. Sie sind nicht mehr wettbewerbsfähig, denn Strom ist ein wesentlicher Teil der Produktionskosten. Die Betriebe müssen schließen oder ihre Produktion in kostengünstigere Länder verlagern. Deutschland wird tendenziell deindustrialisiert. Wollen wir das?

Es wird höchste Zeit, die Energiewende zu beenden. „Ökostrom“ bringt uns nur Nachteile. Die Kosten steigen. Die Umwelt wird zerstört durch immer mehr Windgeneratoren, durch Monokulturen zur Erzeugung von Biomasse für Strom und durch Verspiegeln der Landschaft mit heute fast zwei Millionen Photovoltaikanlagen (vgl. strom-report.de). Tier- und Vogelarten droht Verdrängung und Vernichtung. Windgeneratoren und Biogasanlagen drücken die Immobilienwerte in ihrer Nachbarschaft. Die Begründung der Grünen, die Energiewende in Deutschland sei notwendig zur Minderung der Kohlenstoffdioxid-Emissionen, ist unsinnig. Wird Deutschland erst wach nach einem totalen Blackout?






Prof. em. Dr.-Ing. Hans-Günter Appel, Jahrgang 1934, ist Sprecher des NAEB e. V. Stromverbraucherschutz. Von 1968 bis 1999 lehrte er als Professor für Werkstoffkunde an der Fachhochschule Wilhelmshaven.

Mythos Energiewende. Manipulation, Desinformation, Niedergang: Ein Film von Marco Pino. Verlag JUNGE FREIHEIT, Berlin 2021, Spielzeit ca. 105 Minuten, 12,99 Euro. „Mythos Energiewende“ ist der zweite Teil der JF-TV-Dokureihe „Medienmythen“.

Foto: Solarpanele: Fast zwei Millionen Photovoltaikanlagen stehen bereits in Deutschland, verbrauchen riesige Flächen und liefern unzuverlässig Strom, der nicht bedarfs-gerecht regelbar ist.