© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Frisch gepreßt

Restauration. Die großen Erzählungen als Verheißungen für das 21. Jahrhundert, Globalisierung und Liberalisierung, galten lange als angemessene Bestimmungen postmoderner Zeiten. Für die internationalistisch gestimmten, vornehmlich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Universität Lüneburg angesiedelten Beiträger eines Sammelbandes über „Deregulation und Restauration“ gibt diese schöne neue Welt, in die auch sie ideologisch kräftig investiert haben, inzwischen Anlaß zur Sorge. Nicht weil hier Linke ihr grenzenloses Vertrauen in das globalisierte kapitalistische System enttäuscht sehen, sondern weil sie glauben, es funktioniere nur deshalb nicht so optimal, weil „illiberale und autoritäre Kräfte“ die Segnungen von „Freihandel und Migration“ in Frage stellen und dagegen den „starken Staat“ restaurieren möchten. Um diesen alt-bösen Feinden ideengeschichtlich das Wasser abzugraben, werden Theorien zur öffentlichen Meinung wie Elisabeth Noelle-Neumanns „Die Schweigespirale“ (1974) oder Irenäus Eibl-Eibesfeldts gegen Massenmigration zielende Studie „Wider die Mißtrauensgesellschaft“ (1994) mit wenig Glück „kritisch“ zu widerlegen versucht. Ebenfalls auf dem Seziertisch liegen weitere Klassiker wie Karl Mannheims Abhandlung „Ideologie und Utopie“, erstmals 1929 erschienen, Wilhelm Röpkes „Internationale Ordnung“ (1945) sowie die „Theorie der Verwaltungswissenschaft“ (1966) von Niklas Luhmann. Den intellektuellen Gipfel erklimmt jedoch der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, der in aller Bescheidenheit sich nicht an einem fremden Werk abarbeitet, sondern an seiner als „prophetisch“ empfundenen Polemik von 1987: „Der Geist steht rechts“, die er hier zur Haßpredigt gegen die im Windschatten der AfD aufgeblühte „Neue Rechte“ erweitert. (wm)

Monika Wulz, Nils Guettler, Max Stadler, Fabian 

Grütter (Hrsg.): Deregulation und Restauration. Eine politische Wissensgeschichte. Matthes & Seitz, Berlin 2021, broschiert, 331 Seiten, 22 Euro