© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Training mit Kisten und Kanistern
Sport: „Military Fitness“ poliert neben Körper und Geist auch das Image der Armee auf
Boris T. Kaiser

Ein Freizeittrend bringt zwei Dinge zusammen, deren öffentliches Image bisher eigentlich kaum unterschiedlicher sein konnte. Military Fitness verbindet die in den vergangenen Jahren immer größer gewordene Beliebtheit der Körperertüchtigung mit Übungen aus dem Bereich der Streitkräfte. Daß dadurch nebenbei auch das gerade in Deutschland oft viel zu geringe Ansehen der Armee und der Leistung der Soldaten gesteigert wird, ist nur einer der vielen positiven Effekte der Trendsportart.

Tatsächlich wurden viele der Leibesübungen ursprünglich von Militärangehörigen entwickelt und sollen auch Zivilisten die Möglichkeit geben, die mentalen und körperlichen Fähigkeiten zu entwickeln, die einen guten Soldaten ausmachen. Dazu gehört es auch, daß die Disziplinen im Military Fitness – oder auch MilFit – häufig in Uniformen beziehungsweise uniformähnlicher Kleidung, oft inklusive Marschgepäck und Stiefeln, bestritten werden. 

Auch Helme und schwere Gewichtswesten können Teil der besonderen Sportbekleidung sein. Da kommt schnell mal ein Zusatzgewicht von um die 20 Kilo zusammen. Mit diesem müssen die Teilnehmer dann im typischen Kasernenhofstil zum Beispiel Holzhindernisse, sogenannte Eskaladierwände überwinden oder ein klassisches Workout mit Übungen wie Liegestütz, Sit-ups oder Klimmzügen bestreiten. Auch Gewichtheben, Boxen oder Mixed Martial Arts können Teil des Trainings sein.

Viele Trainer oder Betreiber von MilFit-Seiten im Internet betonen die Bedeutung von mentaler Stärke und Psychologie. So heißt es auf dem Blog milfit.de: „Einen Punkt, den viele Interessierte häufig vernachlässigen, ist die geistige und mentale Komponente im Military Fitness. Viele Übungen und Einheiten dienen manchmal mehr dem Geist als dem Körper. So läßt es sich zum Beispiel erklären, wieso KSK-Anwärter einen längeren Zeitraum Baumstämme auf ihrem Rücken tragen müssen, ohne diese absetzen zu dürfen. Der Clou: Es wird ihnen nicht verraten, wann der Marsch zu Ende ist. Keine Frage, dafür muß man körperlich fit sein. Aber viel wichtiger: der Geist darf nicht vorm Muskel erschlaffen. Wenn Menschen kein Ziel vor Augen haben, geben sie gerne schneller und oft verfrüht auf.“ 

Da dies gerade in Gefechtssituationen absolut kontraproduktiv ist, werden Soldaten durch besondere psychologische Kniffe darauf gedrillt, in belastend unsicheren Situationen den Kopf abzuschalten, heißt es auf der Internetplattform. Ausbilder beim Liegestütz würden deshalb häufig einfach „Eins – Eins – Eins – Eins“ zählen.

Aktive und ehemalige Soldaten als erfolgreiche Youtuber

Milfit.de ist Teil eines riesigen Marktes für Military Fitness. Auf diesem gibt es neben Büchern mit Titeln wie „Military Fitness: Trainieren wie die Kampfschwimmer. Maximale Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit“ auch zahlreiches Zubehör wie Trainingswesten, Kartenspiele mit Anweisungen, Workout-Programme und Smartphone-Apps zu erwerben.

Die Bundeswehr veranstaltet sogar einen eigenen „Military Fitness Cup“. Zu den Besonderheiten des Heeres-Wettbewerbs gehört das sogenannte Munitionsstemmen. Dabei muß eine 15 Kilogramm schwere Munitionskiste von der Schulter aus über den Kopf hochgestreckt werden. 33 Wiederholungen sind als Minimum in der Altersklasse bis 26 Jahre gefordert, bei den über 40jährigen sind es 17.

Natürlich beschäftigen sich auch etliche Youtube-Kanäle mit der aktuellen Trendsportart. Der US-Soldat und Youtuber „Iron Wolf“ setzt dabei auf Eigengewichtsübungen mit mehreren hundert Wiederholungen. Sein Landsmann Diamond Ott trägt den Spitznamen „Strongest Soldier“ und mischt regelmäßig die Kasernen-Muckibuden mit unorthodoxen Übungen auf. Tony Sentmanat alias „RealWorld tactical“ ergänzt seine Workouts mit scharfem Schießtraining und Major Gérald von der französischen Fremdenlegion stellt sich neben verschiedenen Fitneß- und Selbstverteidigungszirkeln auch schon mal einem Parkour-Läufer oder einem MMA-Kämpfer.

Der österreichische Video-Produzent und Miliz-Soldat Sascha Huber wurde in seiner Schulzeit wegen seines schmalen Körperbaus gemobbt und mußte aufgrund verschiedener daraus resultierender psychischer Leiden behandelt werden. Heute möchte er mit seinen Fitneß-Videos anderen Menschen Mut machen. Für seine Videos besucht er beispielsweise unverkrampft das österreichische Jagdkommando und probiert sich an dessen Auswahlverfahren.

Foto: Bundeswehrsoldaten bei einem Fitneßtest: Auch die deutschen Streitkräfte wollen die körperliche Leistungsfähigkeit der Truppe erhöhen, während Zivilisten einige Übungen adaptieren