© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/21 / 20. August 2021

Afghanistan
Das große Debakel
Dieter Stein

Wir haben immer vor dem Afghanistan-Abenteuer gewarnt. Peter Scholl-Latour prognostizierte in der JF schon im September 2001 den USA für ihren Feldzug in Afghanistan ein Scheitern – an den Taliban! 20 Jahre sollte der Einsatz währen, der in einen demütigenden Rückzug und einen triumphalen Sieg der islamistischen Stammeskrieger mündet. Die Bilder vom Chaos am Flughafen von Kabul, das Ausfliegen von US-Botschaftsangehörigen per Hubschrauber rufen die Erinnerung an das Desaster von Saigon 1975 wach, als der Vietnamkrieg mit der dramatischen Flucht der letzten Amerikaner vor den siegreichen Vietcong endete.

Das „zivilgesellschaftliche demokratische“ Afghanistan entpuppt sich als Potemkinsches Dorf, das von jahrhundertelang gewachsenen Stammestraditionen und religiös-politischen Realitäten weggefegt wird.

Nie hätte die Bundeswehr in diesen 

Afghanistan-Einsatz ziehen dürfen. Weil wir dort nichts verloren haben, wir unsere Interessen beschädigen und einen Trümmerhaufen hinterlassen, aus dem andere (allen voran China) ihre Vorteile ziehen werden. 

Das Debakel am Hindukusch offenbart uns, wie es um den Stellenwert der nationalen Sicherheit tatsächlich steht.

Wenn man dennoch hineingeht, dann muß man auch die Konsequenzen tragen. Dazu gehört die Verantwortung für einige Tausend Hilfskräfte, die sich als Übersetzer, Ortskundige und Kontaktleute in den Dienst unserer Armee gestellt haben. Hier gibt es eine ernste moralische Pflicht, diese Männer und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Sie sitzen derzeit in der Mausefalle Kabul, weil ihnen nur dort sicheres Geleit in Aussicht gestellt war.

Nicht nur die monatelang verschleppte Rettung der Hilfskräfte, auch das Ausfliegen deutscher Staatsangehöriger und Mitarbeiter der deutschen Botschaft offenbarte am Wochenende ein völliges Desaster. Verantwortlich dafür sind Außenminister Heiko Maas, der frühzeitige Hilferufe seines Botschafters ignorierte und noch im Juni im Bundestag die Gefahr eines kurz bevorstehenden Sieges der Taliban gewohnt großspurig abstritt, sowie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die am Wochenende lieber Bilder verbreiten ließ, wie sie Flammkuchen für Flutopfer backt, statt sich um den sofortigen Start des Rettungseinsatzes durch die Luftwaffe zu kümmern. 

Wie in einem Brennglas offenbart uns das Debakel am Hindukusch, wie es um den Stellenwert nationaler Sicherheit steht. Im Moment der Krise sind wir auf einen harten Kern von kampfesmutigen Spezialkräften zurückgeworfen (KSK, Fallschirmjäger), denen im Alltag aus Politik und Medien permanent Verachtung und Mißtrauen entgegenschlagen. Diese Männer werden das sicher nicht vergessen.