© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/21 / 20. August 2021

Wahlrechtsreform der Großen Koalition
Mit Sicherheit verfassungswidrig
Ulrich Vosgerau

Verfassungswidrig ist die von der Großen Koalition nicht nur gegen die gesamte Opposition, sondern auch gegen das Votum von sieben der acht angehörten Sachverständigen im November 2020 beschlossene Wahlrechtsreform mit ziemlicher Sicherheit. Zur Verkleinerung des Bundestages, dem angeblichen Ziel, trägt sie nichts bei. Durch den Nichtausgleich von drei Überhangmandaten privilegiert sie willkürlich die Unionsparteien. Entscheidend dürfte aber sein, daß dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, worauf die drei Überhangmandate sich beziehen sollen: drei pro Partei, pro Fraktion oder pro Landesliste? 

Ein Gegenentwurf der AfD-Fraktion, die sich einen Reformvorschlag des Staatsrechtlers Hans Meyer aus dem Jahr 2018 zu eigen gemacht hatte, wurde seinerzeit von den Medien ausgeblendet. Bei seiner Verwirklichung wäre nicht nur die Größe des Bundestages wirksam auf 598 Mitglieder beschränkt worden, sondern auch eine fast ideale Wiedergabe des Zweitstimmenergebnisses gewährleistet. Die Verfassungsmäßigkeit des statt dessen beschlossenen Flickschustergesetzes wird wegen der – unnötig restriktiven – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die dem einstweiligen Rechtsschutzantrag im Normenkontrollverfahren der Abgeordneten dreier Oppositionsfraktionen nun im Wege stand, erst nach der Wahl geklärt.






Dr. Ulrich Vosgerau ist habilitierter Verfassungsrechtler und lehrte an mehreren Universitäten.