© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/21 / 20. August 2021

Grüße aus … Tirana
Entspannung statt Hysterie
Thorsten Brückner

Der August ist auch in Albanien Ferienzeit. Viele Restaurants und Geschäfte in Tirana haben geschlossen. Die Bewohner der Hauptstadt am Fuße des Dajti-Berges lassen sich in den Ferienorten Vlora und Saranda die Sonne auf den Bauch scheinen, während die Zurückgebliebenen unter der schwülen Sommerhitze stöhnen oder in den klimatisierten Einkaufszentren Abkühlung suchen. Und wer arbeiten muß, nutzt zumindest die Wochenenden für einen Ausflug in die nur 30 Minuten entfernte Hafenstadt Durrës, um Strand und Meer zu genießen. Der zentrale Skanderbeg-Platz, wo einst die Statue des kommunistischen Diktators Enver Hoxha stand, ist in der Nachmittagshitze verwaist. 

Hier verfolgten noch im Juni und Juli Tausende Menschen beim gemeinschaftlichen Public Viewing die Spiele der Fußball-Europameisterschaft. Die Kaffeehäuser der Stadt werden in diesen Tagen vor allem von Senioren frequentiert, die sich bereits zum Espresso am Vormittag ein gut gefülltes Glas Raki servieren lassen. Die meisten von ihnen wirken trotz fortgeschrittenen Alters auffallend gesund und vital. Als sich im März vergangenen Jahres auch in Albanien die Pandemie-Hysteriespirale drehte, waren es vor allem jene älteren Herrschaften, die völlig angstfrei Einkäufe für jüngere Familienmitglieder erledigten und dabei in der Regel auch auf Gesichtsbekleidung verzichteten. 

Die Albaner sind kein ängstliches Volk, Corona spielt im Alltag kaum noch eine Rolle. 

Die Albaner sind kein ängstliches Volk. Corona spielt im Alltag seit langem kaum noch eine Rolle. Knapp 20 Prozent der Bevölkerung sind geimpft. Die Impfbereitschaft ist in dem Land mit rund 2,8 Millionen Menschen gering. Eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen oder dem öffentlichen Nahverkehr existiert nur auf dem Papier. Kaum einer hält sich daran, nicht einmal die Polizei, die in Tirana mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat,  etwa dem notorischen Parken in zweiter Reihe, das selbst in der ruhigen Sommerzeit immer wieder Hupkonzerte nach sich zieht. 

Auch Touristen finden wieder vermehrt ihren Weg in die größte Stadt der Skipetarenrepublik. Neben den üblichen Kfz-Kennzeichen aus dem Kosovo, Nordmazedonien und Serbien sieht man in diesen Tagen häufiger tschechische, österreichische und deutsche Fahrzeuge, auch weil Albanien eines der wenigen europäischen Länder ist, in das Besucher ohne Impf- oder Testnachweis einreisen können. Doch selbst in diesen vergleichsweise ruhigen Augusttagen ist die Fortbewegung mit dem Pkw nicht immer eine Freude. Die westliche Haupteinfahrtsstraße in die Stadt ist nach wie vor eine einzige Baustelle. Glücklicherweise unterscheidet sich zumindest die Mentalität der meisten Autofahrer in Tirana wohltuend von der eher aggressiven Fahrweise im Süden des Landes.