© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/21 / 20. August 2021

Ende der Debattenkultur im Bundestag eingeläutet
Opposition mit negativer Tendenz
(ob)

In der Regel dauert es keine Minute, und schon beginnt es während einer Rede Gottfried Curios, des Innen- und Migrationspolitikers der AfD-Fraktion im Bundestag, rot-grüne Zwischenrufe zu hageln. Unter 164 Bundestagsreden, gehalten vor und nach dem Einzug der AfD, die die Mainzer Kommunikationswissenschaftler Marcus Maurer und Pablo Jost einer Inhaltsanalyse unterzogen haben, muß ihnen die „bionegative Olympiade“ (Gottfried Benn), die Rot-Grün zu jedem von Curios rhetorischen Auftritten veranstaltet, entgangen sein (Zeitschrift für Politik 4/2020). Anders ist das Fazit ihrer Fliegenbeinzählung nicht zu verstehen. Demnach habe die AfD die „Negativität und Inzivilität“ in den Bundestag getragen und das „Ende der Debattenkultur“ eingeläutet. Nach ihrer Karikatur einer Definition ist „inzivil“, wer mit „Angriffen und Beleidigungen“ allgemein gegen „Umgangsformen“ oder das „Ideal demokratischer Diskurse“ verstößt. Das störe die „Konsensfindung“ im Plenum wie in den Ausschüssen und vermittle der Bevölkerung insgesamt ein „negatives Politikbild“. Da stellt sich die Frage, ob Opposition für beide Politologen nicht generell „Mist“ (Franz Müntefering) und aus der im Aufbau befindlichen deutschen Postdemokratie zu verbannen ist. Beweise doch die große Zahl von AfD-Zwischenrufen mit „eindeutig negativer“ Tendenz, wie inzivil sich deren Abgeordnete im Vergleich mit Kollegen von den schwarz-roten Regierungsparteien benähmen. Von der Großen Koalition vermerkt das Protokoll nur „überwiegend positive Bewertungen“. Wie der begnadet „inzivile“ Polemiker Herbert Wehner (SPD) wohl solche „Forscher“ abgefertigt hätte? 


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