© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/21 / 20. August 2021

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Alle Wahljahre wieder schwankt die Werbung der Parteien zwischen vor allem zwei Polen: Ärgernis und Amüsement. Was bitte schön sollen Platitüden à la „Weil es um die Menschen

geht ...“ – und nicht etwa um Mauswiesel oder Hufeisennasen, ist schon klar, liebe CDU. Wobei, wenn ich es recht bedenke, wäre der Spruch „Weil es um die Mauswiesel geht, wenn es um Deutschland geht“ unter Werbegesichtspunkten viel attraktiver, weil aufmerksamkeitsheischender. Ein anderes Beispiel: Die Berliner FDP plakatiert den Slogan „Baut auf diese Stadt. Holen wir uns die Zukunft“. Was sich der Werbetexter wohl dabei gedacht haben mag? Wer weiß, vielleicht hatte er das FDJ-Lied in Erinnerung. „Bau auf, bau auf, bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend, bau auf./ Für eine bessre Zukunft richten wir die Heimat auf!“ Doch warum sollen wir uns die Zukunft holen? Kommt die nicht von allein? Und woher überhaupt sollte ich sie abholen? Muß ich da irgendwo klingeln und macht mir dann die Zukunft auf? „Guten Tag, wollen Sie bitte mitkommen?“ – „Nö, keine Lust.“


Fundstück: „Das Brüssel-Europa widerspricht sämtlichen europäischen Überlieferungen praktischer Weltklugheit. Jetzt wollen Funktionäre Einheit und nicht Einigkeit, Monotonie statt Polyphonie, die Gleichheit der Lebensverhältnisse, des Denkens und Wünschen und Wollens, sie möchten die Freiheit ersticken (...). Vom Geist und seiner Geschichte in Europa ist nicht mehr die Rede.“ Das Zitat stammt von dem Historiker und JF-Autor Eberhard Straub aus seiner demnächst in der Buchreihe „Exil“ der Edition Buchhaus Loschwitz, Dresden, erscheinenden Essay-Sammlung „Europa. Ein ungesicherter Begriff“.

In Frankreich sind bislang verschollen geglaubte Manuskripte von Céline aufgetaucht.

In der neu errichteten Einkaufsmeile im Berliner Norden haben peu à peu die ersten Geschäfte geöffnet, darunter ein Supermarkt. In dessen Eingangsbereich sind in den Boden zwei Messingplatten eingelassen mit Sinnsprüchen von Gandhi: „Glück ist, wenn deine Gedanken, deine Worte und dein Tun im Einklang sind“ und von Budda (hier tatsächlich so geschrieben!): „Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.“ Nun ja, angesichts der unorthodoxen Schreibweise des Namens Buddha dürfte es in der Gedankenwelt der Urheber dieser Bodenplatte wohl etwas gewittrig zugegangen sein.


In Frankreich sind jetzt bislang verschollen geglaubte Manuskripte des Schriftstellers Louis-Ferdinand Céline (1894–1961)aufgetaucht. Das berichtete die Zeitung Le Monde. Demnach stammt das Konvolut von Tausenden Seiten aus der Erbmasse seiner Witwe Lucette Destouches, die im November 2019 im Alter von 107 Jahren verstarb. Zu der Hinterlassenschaft gehören unter anderem eine bis dato unbekannte Fassung von Célines Kindheitsroman „Tod auf Kredit“ sowie ein Roman von 600 Seiten mit dem Titel „Kanonenfutter“ über seine Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg. Er soll chronologisch den Übergang zu Célines Opus magnum „Reise ans Ende der Nacht“ darstellen. Auf die Céline-Forschung dürften damit große Herausforderungen zukommen.