© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

Das Buchstabier-ABC soll geändert werden
Herrschen mittels Sprache
Thomas Paulwitz

Nathan, Samuel, David, Albert, Paula: Die NSDAP wollte sich keinesfalls mit diesen Vornamen buchstabieren lassen. Jüdisch klingende Namen verschwanden also aus der Buchstabiertafel. Ab 1934 hieß es: Nordpol, Siegfried, Dora, Anton, Paula. Nach dem Krieg wurde die Buchstabiertafel entnazifiziert, aber nicht vollständig: Dora und Nordpol blieben.David und Nathan sollten bei der jetzt anstehenden Reform der Buchstabiertafel zurückkehren. 

Doch das rief die Ideologen von heute auf den Plan: Laut Normungsinstitut sind die verwendeten Namen „nicht mehr zeitgemäß“, das heißt zu deutsch und vor allem zu männlich. 16 männlichen stehen nur sechs weibliche Vornamen gegenüber. An eine Tafel mit 

„A wie Annalena“, „N wie Naomy“ und „M wie Mohammed“ wollte man sich freilich nicht wagen. Die geänderte DIN 5009 steigt daher auf Ortsnamen von Augsburg bis Zwickau um. David wird zu Düsseldorf, Nathan zu Nürnberg, Samuel zu Stuttgart: geschlechtsneutral, aber reichlich umständlich und sehr schlecht zu merken. Es war früher schon so und gilt leider heute noch: Sprache ist auch ein Herrschaftsinstrument. Totalitäre Systeme trachten danach, die öffentliche Sprache – und damit die Sprecher – ihrer Ideologie zu unterwerfen. Einst wie heute gilt freilich: Das Volk will eine solche ideologisch motivierte Reform nicht.






Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich erscheinenden Zeitung „Deutsche Sprachwelt“.