© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

1G soll das neue VIP werden
Österreich: Nach dem Willen der Regierung sollen nur Geimpfte Bars und Diskotheken besuchen dürfen
Robert Willacker

In Österreich könnte das Nachtleben künftig vollständig gegen das Coronavirus Geimpften vorbehalten bleiben. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) haben am vergangenen Wochenende überraschend eine „1G“-Regel für den Besuch der Nachtgastronomie ab Herbst in Aussicht gestellt. Ein tagesaktueller Negativtest oder der Nachweis über eine Genesung würden dann nicht länger ausreichen, um Zutritt zu Diskotheken und Bars zu erhalten. 

Laut dem Bundespressedienst will die österreichische Regierung mit dieser Maßnahme den seit einigen Wochen ansteigenden Infektionszahlen Einhalt gebieten. Die Regierung setzt mittlerweile auch auf die Wirkung einer Auffrischungsimpfung. Das Nationale Impfgremium hatte vergangene Woche empfohlen, zuerst den Risikogruppen und danach allen bereits Geimpften ab September eine dritte Dosis bereitzustellen. Das nun angekündigte Vorgehen überrascht. 

Im Juli hatte Kanzler Kurz noch von einem „Wendepunkt“ in der Pandemie gesprochen. Aufgrund des Impffortschritts und des flächendeckenden Testens sei es nun für die Regierung an der Zeit, sich wieder auf ihre Kernaufgaben zurückziehen, so der ÖVP-Politiker damals. 

Kickl bezeichnet Ankündigung als „Corona-Amoklauf“ 

Mückstein wiederum hatte noch im Juni im Parlament bekräftigt, daß ein Zugang nur für Geimpfte „gesetzlich nicht möglich“ sei. In diesem Punkt hat sich die Haltung des Ministers offenkundig geändert. „Aktuelle Prognosen der Wissenschaftler zeigen uns, daß wir die Impfrate weiter erhöhen müssen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden“, teilte er nun mit. Teile der Oppositionsparteien begrüßen die Kehrwertwende der Bundesregierung. Die sozialliberalen Neos kritisierten den 1G-Ansatz hingegen. Genesene seien „wenig gefährdet, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden, und müssen daher vorläufig nicht geimpft werden, schon gar nicht doppelt“, so der Gesundheitssprecher der Partei, Gerald Loacker. 

Die schärfste Kritik an den Plänen der Bundesregierung kam jedoch von seiten der FPÖ. Der Parteivorsitzende Herbert Kickl sprach in einer Mitteilung von einem „Corona-Amoklauf der Unverantwortlichkeit“ und appellierte an die Ärzteschaft, einem allfälligen Impfzwang nicht Vorschub zu leisten. Die FPÖ werde ein Gesetz ausarbeiten, das sich „gegen die Diskriminierung Ungeimpfter“ zur Wehr setze, kündigte der Parteichef an.