© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

Ökologische Finanzillusionen
Aktien- und Anleihemarkt: Grüne Aktivisten wollen in Unternehmen ihre Klimapolitik durchsetzen
Thomas Kirchner

Drei deutsche Wirtschaftsprofessoren haben sich der „ökologisch orientierten Anlagepolitik“ gewidmet – doch ihr Urteil ist vernichtend: „Was heute unter dem Titel ‘grüne Finanzierung’ verkauft wird, ist häufig sein Geld nicht wert“, konstatieren Jan Pieter Krahnen (Goethe-Uni Frankfurt), Jörg Rocholl (ESMT Berlin) und Marcel Thum (TU Dresden). Und „wenn ein Anleger eine braune Aktie verkauft und dafür eine grüne Aktie kauft, dann wird dadurch zwar sein eigenes Portfolio grüner“, aber in einem global integrierten Finanzmarkt löse eine „Umverteilung existierender Finanztitel zwischen Anlegern im Marktgleichgewicht keine Preiseffekte“ aus (ifo Dresden berichtet 4/21).

Dennoch versuchen grüne „Aktivisten“ schon seit einigen Jahren, auf Hauptversammlungen großer Aktiengesellschaften Anträge in Klimafragen zu stellen, die bislang aber meist mit großer Mehrheit abgelehnt werden. In diesem Jahr konnten sie jedoch ihren bisher größten Erfolg verbuchen: Gleich drei Aufsichtsratsmandate beim texanischen Ölkonzern ExxonMobil gingen an Vertreter von Engine No. 1, einem erst im Dezember gegründeten Klima-Hedgefonds. Doch der hat mit den üblichen Klimaaktivisten wenig gemein. Gründer Chris James arbeitet seit Anfang der neunziger Jahre in der Finanzbranche und versuchte sich Mitte der 2000er Jahre im Kohlebergbau in Illinois. Doch kaum hatte seine Mine eröffnet, sank der Kohlepreis. James will daraufhin erkannt haben, daß sich der Energiemarkt im radikalen Wandel befindet. Mit „Reenergize Exxon“ will er den Konzern retten, das Weltklima nur nebenbei.

James ist symptomatisch für eine Spezies Klimaaktivisten, die unternehmerisch denkt und hart kalkuliert. Mit den oft zu Recht belächelten traditionellen Aktivisten mit mehr Herz als Verstand verbindet sie nur das Ziel, den Energiemarkt umzukrempeln. ExxonMobil ist ein wohlüberlegtes Ziel: Zwar ist die Mutter von Esso Deutschland der größte private Produzenten fossiler Brennstoffe, doch gilt er als nachhaltig, seit er ein Programm zur Förderung der Photovoltaik auflegte. Auf das Konzernergebnis wirkt sich das zwar nicht aus, es erfüllt aber einen anderen Zweck: Es lockt „grünes“ Kapital an. Denn es gibt mehr Kapital auf der Suche nach grünen Anlagen als seriöse Investitionsmöglichkeiten. Also muß man auf Biegen und Brechen nicht sonderlich umweltfreundliche Firmen als „grün“ umdeklarieren. Auch Apple konnte so eine „grüne“ Anleihe plazieren, obwohl die Smartphoneherstellung kaum „woke“ ist.

Ihre höhere Liquidität macht konventionelle Anleihen wertvoller

Grüne Anlagen erfreuen sich auch zunehmender Beliebtheit, weil viele grüne Börsenindizes im vergangenen Jahrzehnt eine höhere Rendite als klassische Indizes erreichten. Doch das geht in erster Linie auf die niedrige Gewichtung von Energietiteln zurück, die ab 2015 miserable Renditen erzielten.Wer den Sektor vermied, egal aus welchem Grund, schnitt besser ab als der Durchschnitt. Sollte der Trend bei Energietiteln drehen, würden grüne Anlagestrategien plötzlich schlechter abschneiden als der Durchschnitt. Anbieter nachhaltiger Indizes müßten dann Ausreden erfinden, weshalb auch Ölkonzerne als „grün“ gelten können, damit der Renditeabstand sich nicht verschlechtert. ExxonMobil wird als Vorbild dienen.

Noch absurder sind „grüne“ Staatsanleihen, wie es sie seit einem Jahr in Deutschland als „Grüne Bundeswertpapiere“ gibt. Parallel emittiert der Bund eine „grüne“ und eine identische konventionelle Anleihe. Die grüne Hälfte der Zwillingsanleihe soll grüne Ausgaben im Haushalt finanzieren und für Transparenz sorgen. In der Praxis sind aber Erlöse aus der Plazierung einer Anleihe nicht zweckgebunden und können keinem bestimmten Haushaltsposten zugeordnet werden. Es handelt sich also lediglich um grüne Augenwischerei. Trotzdem meint der Bund, grüne Anleihen sollten einen höheren Wert, also niedrigere Rendite, als konventionelle Anleihen haben. Das wird nur so lange stimmen, wie die Nachfrage nach grünen Anlagen das Angebot weit übersteigt. Emittiert die ganze Welt „grün“, wird die höhere Liquidität konventionelle Anleihen wertvoller machen.

Sobald die EZB erst einmal „grünen“ Anleihen bei ihren Kaufprogrammen Vorrang gibt, wird die Nachfrage nochmals steigen. Dann ist abzusehen, daß Banken gezielt nachhaltige Anleihen schaffen werden, um die Nachfrage der EZB zu befriedigen. Es wird wie einst bei Subprime-Hypotheken funktionieren: Kombiniert man grüne und nicht-grüne Kredite, kann man eine Anleihe schaffen, die dann plötzlich als „grün“ gilt. Langfristig kann die Fokussierung auf grüne Anlagen sogar kontraproduktiv werden, wenn Unternehmen, die noch nicht „grün“ sind, weniger Zugang zu Kapital bekommen als solche, die es schon sind. Dann werden Investitionen in moderne, saubere Produktionstechniken verzögert oder schlimmstenfalls sogar verhindert.

Hintergrund des Booms nachhaltiger Anlagen ist der Wunsch vieler Pensionsfonds, „grün“ zu investieren, damit sich die Privatrentner gut fühlen können. Da grüne Anlagen in den letzten Jahren überdurchschnittlich abgeschnitten haben, fällt die Entscheidung leicht. Anders sieht es für viele Anlageprodukte aus, die Privatkunden angeboten werden. Dort ist die Auswahl der Wertpapiere oft mehr auf echt nachhaltige Firmen ausgerichtet, von denen viele zwar vielleicht ökologisch, aber nicht unbedingt wirtschaftlich nachhaltig sind. Entsprechend schlecht fallen die Renditen aus. Bedenkt man außerdem, daß Firmen wie Tesla astronomisch hohe Bewertungen haben, ist schwer einzusehen, weshalb sich Renditen „grüner“ Anlagen bald verbessern sollten.

„Grüne Finanzierung und grüne Staatsanleihen – Illusion und Wirklichkeit“: 

www.ifo.de

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Foto: Finanzdiagramm („Candlestick Chart“) eines Wertpapiers: Angeblicher Boom von vermeintlich nachhaltigen Geldanlagen