© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

Investigativer Grenzgänger
Nachruf auf den Journalisten Manuel Ochsenreiter
Dieter Stein

Meinen 30. Geburtstag feierte ich 1997 im Berliner „Café O-Ton“, einem Projekt des umtriebigen Netzwerkers Torsten Witt. Von der Feier gibt es ein Foto, auf dem ich meinen Arm ausgelassen um Manuel Ochsenreiter lege, seine halbgerauchte Zigarette zur Show zwischen meinen Fingern. Sein Geburtstagsgeschenk war ein selbstgedrehter Joint, um mich als erklärten Nichtraucher und Drogenverächter auf die Schippe zu nehmen. 

Wir begegneten uns wohl erstmals im Kontext des von dem Publizisten Rainer Zitelmann angeregten und von JF-Redakteur Roland Bubik herausgegebenen Sammelbandes „Wir 89er“, der 1995 bei Ullstein erschien und einer jungen Generation von „Gegen-68ern“ einen Namen geben sollte. Manuel war darin der jüngste Autor und schildert den Beginn seines politischen Engagements im konservativen Milieu von CSU und Junger Union. Michael Klonovsky schrieb für den Focus damals eine mehrseitige Geschichte über diese „89er“, von denen übrigens alle irgendwie mit der JF zu tun hatten.

Der 1976 im Allgäu geborene Ochsenreiter wurde bald zu einem rührigen JF-Autor mit scharfer, ironischer Feder, wirkte zeitweise als Ressortleiter der „Letzten Seite“, von 2001 bis 2004 festangestellt, zuletzt als Politikchef. Sein Markenzeichen waren unkonventionelle Kontakte über politische Lagergrenzen hinweg, er recherchierte investigativ im Islamistenmilieu und unter Linksextremisten. Er haßte reine Schreibtischtätigkeit, wollte raus, als Reporter auf der Straße tätig sein.

2004 verließ er die JF und heuerte beim Kieler Verleger Dietmar Munier an. Er wurde Chefredakteur der Deutschen Militärzeitschrift, ab 2011 auch des Magazins Zuerst!. Seine Spezialität wurden ausgedehnte Kriegsreportagen aus Krisengebieten: Libanon, Syrien, Donbass und Krim. Er präsentierte sich dabei nicht nur als Journalist, sondern als Abenteurer, ließ sich auf Kontakte ein, die sich zum Teil auch im Zwielicht von Geheimdiensten verlieren. 

Einem polnischen Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit einem Brandanschlag in der Ukraine entzog sich Ochsenreiter, indem er 2019 nach Moskau übersiedelte – ein faires Verfahren hielt er für ausgeschlossen. Im russischen Exil rieb er sich, wie Freunde schildern, trotz zweier Herzinfarkte seit 2014, in der Arbeit auf. Er muß dort unter der Ausweglosigkeit seiner Lage und der Trennung von Heimat, Freunden und Familie sehr gelitten haben. Davon zeugen auch seine Kontaktaufnahme vor einigen Monaten nach Jahren der Funkstille und daß er sich in einem Gespräch jenseits politischer Gräben einen friedlichen persönlichen Umgang zurückwünschte. Manuel Ochsenreiter verstarb am 18. August in einem Moskauer Krankenhaus im Alter von 45 Jahren.

Foto: Manuel Ochsenreiter (1976–2021)