© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

„Wir zeigen, was wirklich ist“
Dokus, Sport und News: Zum Start präsentiert sich Bild TV angriffslustig und nah an den Spitzenpolitikern
Gil Barkei

Lange wurde Bild TV angekündigt, über Sendelizenzen verhandelt und online fleißig Bewegtbild ausprobiert. Am Sonntag um 9 Uhr ist der neue TV-Kanal aus dem Hause Springer nun gestartet. Das Programm kann im Free-TV über Kabel und Satellit empfangen werden und setzt neben Sport und Dokumentationen auf Nachrichten. Und hier will Bild von Anfang an mit Top-Gästen aus der Politik trumpfen. Den Anfang machten CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und sein SPD-Konkurrent Olaf Scholz mit zwei neunzig Minuten langen Interviews. Trotz rasanter Momente – beispielsweise beim Patriotismus-Verständnis – zog sich die „Kanzler-Nacht“ im Gegensatz zu Bilds kurzen, knackigen Überschriften zum Schluß jedoch in die Länge. 

Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) waren bereits in den ersten Tagen im schlichten, rot-weiß gehaltenen Studio zu Gast. Die Verantwortlichen setzen auf direkte Nähe am Moderationspult statt auf Schalten. Daß Chefredakteur Julian Reichelt dabei oft neben den Spitzenpolitikern steht und kritische Fragen stellt, verdeutlicht, wessen Lieblingsprojekt Bild TV ist. Neu im Team neben mehreren weiblichen Gesichtern ist Thomas Kausch, der von den Öffentlich-Rechtlichen kommt. Dort war er zehn Jahre lang Hauptanchorman von „NDR Info 21.45“ und moderierte das ARD-Politmagazin „Fakt“.

Der in manchen Einstellungen noch recht mickrig wirkende Studioaufbau, Live-Schalten zu Straßenreportern und die zahlreichen Informationsbanner am unteren Bildschirmrand erinnern an klassische Nachrichtensender. Allerdings ist der Ton im Vergleich zu n-tv oder dem Konkurrenten aus dem eigenen Haus, Welt, launiger, schneller und angriffslustiger. Bild versucht hier seinem Boulevard-Markenkern treu zu bleiben. „Wir zeigen, was wirklich ist“, lautet Reichelts Devise. 

Kuschel-Stuhlkreise mit links-aktivistischer Schlagseite à la Will, Maischberger & Co. dürften unter Druck geraten. Die Journalistin Ferda Ataman sieht daher schon die Gefahr, Bild TV könnte „ein lineares Zuhause für Verschwörungsfans“ und ein deutsches Pendant der US-amerikanischen Fox News werden. Zielgruppe seien Menschen, „die schon morgens mit Bier auf der Couch sitzen und vor der Glotze über Merkel und Migranten herziehen“. 

So viele davon scheint es in Deutschland gar nicht zu geben. Am ersten Sendetag lag der Marktanteil von Bild TV bei den 14- bis 49jährigen bei einem Prozent.