© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

China löst die EU als Ordnungsmacht auf dem Balkan ab
Einflußnahme mit Hilfstransfers
(ob)

In diesem Frühjahr setzte sich Serbien knapp hinter Großbritannien an die Spitze der europäischen Impf-Liga. Ein solcher „Stechschritt zur Immunisierung“ seiner 6,9 Millionen Bürger schaffte das arme Balkanland aber nicht aus eigener Kraft. Der Erfolg beruht auf einem bilateralen Abkommen mit Rußland und China, die bis Mai 500.000 Dosen des Impfstoffs Sputnik V, beziehungsweise 1,5 Millionen Dosen Sinovac an Donau und Save lieferten. Für die aus Bosnien stammende Frankfurter Soziologin Ina Kulić und den Sozialwissenschaftler Jens Becker (Hans-Böckler-Stiftung) ist das ein klassischer Fall geopolitischer „Einflußnahme durch Hilfstransfers“, der nur möglich sei, weil die EU einmal mehr versage. Sie habe, abgesehen von Kroatien und Slowenien, den postjugoslawischen Staaten keine ehrliche Beitrittsperspektive eröffnet. Heute werde ihnen aus Brüssel sogar signalisiert, die Aufnahmebereitschaft der EU sei erschöpft. Diese Gelegenheit, sich auf dem Westbalkan zu etablieren, nutze vor allem Peking. China investiere verstärkt in große serbische Infrastrukturprojekte (Blätter für deutsche und internationale Politik 5/2021). Da sich auch Ungarn und Griechenland weiter in chinesische Abhängigkeit begeben würden, dürften die Tage, da die EU dort noch als Ordnungsmacht fungieren kann, gezählt sein. 


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