© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

These überholt: Heinrich August Winkler fühlt sich mißverstanden
Sonderweg auf dem Abstellgleis
(dg)

Der auch jenseits der 80 unverdrossen den „Weg nach Westen“ wandernde Berliner Historiker Heinrich August Winkler ist verstimmt, weil jüngere Kollegen wie Oliver F. R. Haardt (Cambridge), ein Schüler von Christopher Clark, und die an der Universität der Bundeswehr in München lehrende, medial omnipräsente Hedwig Richter die von Winkler seit Jahrzehnten gepflegte „Sonderwegserzählung“ auf das Abstellgleis jener historischen Thesen geschoben habe, die noch in der angelsächsischen Umerziehungsproganganda wurzeln. Die beiden Marxisten David Blackbourn und Geoff Eley wetterten zwar schon 1980 gegen diese Art „Mythen deutscher Geschichtsschreibung“, seien aber, wie Winkler befriedigt feststellt, gegen ihn und seine geschichtspolitisch ebenso einflußreichen Gefolgsleute (Hans-Ulrich Wehler, Jürgen Kocka) nahezu ohne Resonanz geblieben (Merkur 6/2021). Haardt und die radikaler zuspitzende Richter, die behaupte, Deutschland sei gar keinen Sonderweg gegangen, sondern stets selbstverständlicher Teil des Westens gewesen, fänden heute hingegen Gehör, aber nur deswegen, weil sie die Fassung seiner Sonderwegthese kritisieren, die sie „der leichteren Widerlegbarkeit halber zuvor verballhornt haben“, um einem „populären What-aboutism“ nach dem Motto „Die anderen waren auch nicht besser“ zu huldigen. 


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