© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/21 / 27. August 2021

Frisch gepreßt

Kommunitarismus. Der Begriff „Kommunitarismus“ spielt in der politischen Philosophie erst seit den 1970ern eine Rolle, obwohl die von ihm bezeichneten Ideen in allen Sozialtheorien dominieren, die von der Antike bis zur Gegenwart das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft zu bestimmen versuchen. Das engere Konzept des Kommunitarismus, wie es Charles Taylor und Michael Walzer vertreten, thematisiert die Auflösung gemeinschaftlicher Bindungen in kapitalistischen Gesellschaften und propagiert die am Gemeinwohl auszurichtende Erneuerung politischer und sozialer Institutionen. Er versteht sich dabei allerdings primär als Korrektiv, nicht als Gegenentwurf zum Liberalismus. In diesem Sinne, als „ethische und solidarische Vervollkommnung des Kapitalismus“, preist auch Stefan Kofners Essay den „Kommunitarismus als Fundament für eine neue Wirtschaftsordnung“ an. Wie dieses hehre Ziel zu verwirklichen wäre? Dafür bemüht Kofner beklagenswert häufig Wünsche, die mit „könnte, müßte, sollte“ beginnen. „Vervollkommnet“ wäre der Kapitalismus zweifellos, wenn er eine Wirtschaftsstruktur schüfe, die „soziale Verantwortung“ so fördert wie die „individuelle Freiheit“ , oder wenn er Bildung vermitteln würde, „die nicht einseitig auf den Erwerb von wirtschaftlich verwertbaren Kompetenzen abstellt“. Das ist „als Poesie gut“ (Friedrich Wilhelm III.), bietet aber keine realistischen Handhaben für die politische Praxis. (dg)

Stefan Kofner: Gemeinsinn und Pflicht. Der Kommunitarismus als Fundament für eine neue Wirtschaftsordnung. Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, Lüdinghausen 2021, gebunden, 187 Seiten, 11 Euro





Corona und Würde. Als oberster Verfassungswert untersteht die Menschenwürde einem besonderen Schutz. Gemäß Art. 1 des deutschen Grundgesetzes ist sie „unantastbar“. Doch laut der Literaturwissenschaftlerin Gertrud Höhler hat die Bundesregierung diese eigentlich handlungsleitende Maxime bei ihrer Corona-Politik verletzt. Statt die Würde als Schutzmacht voranzustellen, hätten die „Corona-Manager“ die darin beinhalteten Punkte Lebensschutz und Gesundheit herausgelöst, wohl mit dem Gedanken, dadurch mehr Handlungsspielraum zu erlangen. Doch wer das Gut der Menschenwürde verteidigen wolle, müsse von „flächendeckenden Pauschalverboten“ wie Lockdowns nach chinesischem Vorbild dringend Abstand nehmen, mahnt Höhler. Völlig richtig stellt sie fest: „Kinder und Alte trifft es zuerst und am härtesten, wenn Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.“ Inbrünstig hält die 80jährige ein Plädoyer für die Achtung der Menschenwürde und warnt vor einer Gesundheitspolitik, die mehr zu zerstören vermag als das Coronavirus selbst. (zit)

Gertrud Höhler: Die Corona-Bilanz. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Heyne Verlag, München 2020, broschiert, 128 Seiten, 12 Euro