© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/21 / 03. September 2021

Die Gier der Mächtigen
Corona: Gäbe es die Pandemie nicht, müßte man sie erfinden
David Engels

Lange mochte man zweifeln, ob die Covid-Strategie der vergangenen anderthalb Jahre nun eher von der Inkompetenz oder vielmehr der Verlogenheit unserer Eliten zeugt. Denn in demselben Grade, wie sich die Angst vor einer globalen Zombie-Apokalypse als völlig unberechtigt und das „Killer-Virus“ sich als durchaus mit schwereren Grippewellen vergleichbar herausstellte, wurden die Maßnahmen gegen die „Pandemie“ in einer solchen Weise verschärft, daß eine Rückkehr zur Normalität wohl ebenso unmöglich geworden ist wie eine neue Vertrauensbildung in das, was von unserer Demokratie noch übriggeblieben ist. 

Zuerst Grenzschließung, Testpflicht und Lockdown, dann elektronische Überwachung, Notstandsgesetzgebung, Verfolgung von Maßnahmen-Skeptikern und Demonstrationsverbot, schließlich Impfpflicht, Elternentrechtung und dauerhafte Ausschließung ungeimpfter Menschen: Schritt für Schritt wurden alle Versprechen gebrochen und die Grundfesten einer freien, gleichen und solidarischen bürgerlichen Gesellschaft ausgehebelt, ohne daß dies bei Massenmedien, „Experten“ und Bevölkerung auf nennenswerte Opposition gestoßen wäre.

Wie wird es nun weitergehen? Da überall in Europa (mit Ausnahme Frankreichs) Proteste gegen die indirekte Impfpflicht erfolgreich unterdrückt wurden, dürfte sich bald eine Art Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Ungeimpften verfestigen. Diese beiden Gruppen werden allerdings alles andere als harmonisch koexistieren, denn die Impfskeptiker werden schon jetzt zu den idealen Sündenböcken auserkoren, um Zwietracht zwischen den Menschen zu säen und mittels des alten Leitspruchs „Divide et impera“ die Entdemokratisierung des Westens voranzutreiben – und gleichzeitig Bürger, die auch jenseits der Pandemie bereit sein könnten, nein zu sagen, dem Haß der Mitmenschen auszuliefern.

Da die Impfung mit unbekannten Langzeitfolgen weder vollständig vor einer Erkrankung an Covid-19 noch vor einer Weitergabe des Virus schützt, wird man eben auch in Zukunft ganz analog zur Grippe Covid-Wellen mitsamt verschiedensten Mutationen erwarten müssen. Hier bieten sich die Impfskeptiker als Außenseiter und „Volksschädlinge“ geradezu von selbst an, um ihnen den Weiterbestand des Virus und die Fortsetzung von Lockdown-Maßnahmen ebenso in die Schuhe zu schieben wie volle Krankenhäuser. 

Dahinter versteckt sich freilich ein erheblich gefährlicheres Spiel. Denn es war schon vor der Pandemie klar, daß Europa sich kurz vor einem grundlegenden Umbruch befand: Die finanztechnische Konstruktion des Euroraums steht seit der Griechenlandkrise vor dem Abgrund und kann nur noch mittels massiven Gelddruckens gestützt werden, das zur Enteignung des mittelständischen Sparers und somit des Fundaments unserer bürgerlichen Gesellschaft führt. Die Demokratie ist zunehmend ausgehöhlt worden durch die Verfestigung einer weitgehend austauschbaren Parteienoligarchie und die Auslagerung zentraler Befugnisse nach Brüssel. Und schließlich sind Medien ebenso wie Politiker und Experten so sehr von einer hypermoralisierenden linksgrünen Ideologie erfaßt worden, daß alle welthistorischen Fragen nur noch unter abstrusen Gesichtspunkten wie Klimawandel, Gender- und LGBTQ-Rechten, Transhumanismus und natürlich der Umwandlung homogener in multikulturelle Identitäten behandelt werden. Unter dem Mantel demokratischer Vielfalt hat sich eine erdrückende Konformität herausgebildet.

Jede dieser Entwicklungen hat im Laufe der letzten Jahre zunehmend Kritik auf den Plan gerufen, und es sah eine Zeit lang sogar aus, als würde der große Umbruch unserer Gesellschaft jene, die ihn betrieben haben, mit sich in den Abgrund reißen. Die Covid-Pandemie ist die geradezu geniale Antwort auf diese Gefahr und der Impfskeptiker der perfekte Schuldige. Der Untergang des Mittelstands und der Aufstieg des Milliardärssozialismus mit seinem linksgrün lackierten Hochkapitalismus auf der einen Seite und seiner grauen Planwirtschaft auf der anderen? Ein unweigerlicher Kollateralschaden des Lockdowns sowie des „Great Reset“ und des europäischen „Green Deals“. 

Zunehmend totalitäre Verhältnisse durch Verfolgung mißliebiger Gruppierungen, manipulierte Briefwahl, gleichgeschaltete Medien, Versammlungs- und Demonstrationsverbot, Umfunktionierung des Covid-Passes zu einem Sozialkreditsystem nach chinesischem Vorbild und Auslagerung politischer Entscheidungsfindungen in kleine internationale Gremien? Leider notwendig zum koordinierten Schutz der „Volksgesundheit“ gegen unbelehrbare Covid-Skeptiker und andere rechte Populisten. Systematische Überschwemmung Europas mit Armutsmigranten aus aller Welt bei gleichzeitiger Zersetzung althergebrachter abendländischer Solidaritätsgemeinschaften wie Familie, Glaube, Nation oder Kultur? Die Begleichung unserer „historischen Schuld“, die durch die weltweiten Verwüstungen von Patriarchat, Kolonialismus und Klimaerwärmung überhaupt erst eine Pandemie wie Covid-19 ermöglichte.

Besteht überhaupt noch Hoffnung, aus diesem absurden, aber hochgefährlichen Narrativ auszubrechen, das noch vor zwei Jahren als unglaubwürdige Dystopie belächelt worden wäre? Die Skepsis wächst: Zu stark ist der Mensch dem Konformitätsdruck der Medien ausgeliefert, zu stark die Gier der Mächtigen, sich der ungeahnten Vorzüge zu bedienen, die ihnen die Pandemie liefert, zu stark wohl auch die Verführung, Eigenverantwortung abzugeben und durch Gehorsam nach oben und Ressentiment nach unten zu ersetzen – das A und O der Banalität des Bösen. 

Was bleibt? Die Hoffnung, nein, die Gewißheit, daß auch jenes zunehmend Gestalt annehmende Unrechtsregime früher oder später wie alle anderen am ewigen Drang jenes „Geistes, der stets verneint“, zerbrechen wird, nicht etwa Ordnung und Erfüllung zu schaffen, sondern Unrecht und Selbstentfremdung – und für uns die Aufgabe, ihm mit allen Kräften entgegenzutreten, um seine Stabilisierung zu behindern und den geistigen Widerstand zu garantieren.






Prof. Dr. David Engels ist Professor für Römische Geschichte in Brüssel und forscht am Posener West-Institut .