© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/21 / 03. September 2021

Die Wahlen sind sicher
Kandidaten im Visier: Sicherheitsbehörden warnen vor Hackern und Cyberangriffen/ Die meisten Straftaten im Wahlkampf finden analog statt
Hermann Rössler / Christian Vollradt

Können Hacker mit Cyber-Attacken die Bundestagswahl gefährden oder den Wahlkampf manipulieren? Die Bedrohungslage sei „komplex“, meinte im Vorfeld der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Bundeswahlleiter Georg Thiel sagte am Dienstag, sein Haus arbeite in dieser Frage eng mit den Sicherheitsbehörden zusammen, man erstelle wöchentlich einen Lagebericht. Der Verfassungsschutz habe seit Februar mehr als 300 Angriffe auf E-Mail-Konten von Politikern verzeichnet, berichtete die Nordwest-Zeitung, rund 70 Abgeordnete aus Landtagen und Bundestag sollen bis Juli ausgespäht worden sein.

Das BSI stellte einen Leitfaden zur IT-Sicherheit für die Bundestagskandidaten aller Parteien zur Verfügung. Zudem steht eine Hotline bereit, um Angriffe melden zu können. Ob und wie oft dies aktuell vorkam, ist unklar. Dem Bundesinnenministerium liege „im Moment keine Statistik darüber vor“, so ein Sprecher am Montag. Das BSI verwies auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT auf den Bundeswahlleiter, der wiederum auf die Polizeibehörden. Diese verzeichnen – wie auch die Parteien – eher Vergehen im analogen Wahlkampf. So habe laut Medienberichten der Vandalismus beispielsweise gegen Wahlplakate in diesem Jahr spürbar zugenommen. 

Die JF hat bei den Landeskriminalämtern (LKA) der Bundesländer nach den Fallzahlen politisch motivierter Kriminalität im Zusammenhang mit der Bundestagswahl gefragt. Darunter fallen etwa zerstörte Plakate, Beleidigungen oder Bedrohungen von Wahlkämpfern sowie Veranstaltungsstörungen. Einige Länder können zwischenzeitlich keine Auskunft geben, da sie die Fallzahlen quartalsweise sammeln und an das Bundeskriminalamt (BKA) weiterleiten. Für die Länder, die solche Straftaten bereits zusammengetragen haben, stellen die Zahlen eine Momentaufnahme dar. Das LKA Baden-Württemberg weist darauf hin, daß „aus der genannten Gesamtfallzahl kein Rückschluß auf die Anzahl der betroffenen Personen oder Gegenstände gezogen werden“ könne. Würden beispielsweise mehrere Wahlplakate in einer Straße beschädigt, zähle das als ein Fall. Das gilt für alle der folgenden Statistiken. In Baden-Württemberg erfaßte das LKA bisher 72 Straftaten, von denen vier nicht einer Partei zuzuordnen waren. In 53 Prozent der Fälle war die AfD das Angriffsziel. Auf die Grünen entfallen 16 Prozent, bei der CDU sind es 13 Prozent, die SPD war in sieben Prozent der Fälle Leidtragende.

Dem LKA Sachsen sind bislang 37 politisch motivierte Straftaten bekannt. Jeweils ein Drittel betreffen die Linkspartei und die AfD, der Rest verteilt sich auf andere Parteien. Es sei keine Tendenz zu erkennen, daß es zu mehr Straftaten kommt als bei bisherigen Wahlkämpfen, teilt das LKA mit. In Berlin zählte das LKA mit Stand 24. August 130 Fälle. Bei 106 davon handelt es sich um Sachbeschädigung. Zu gefährlicher Körperverletzung kam es in drei, zu Körperverletzung in zwei Fällen. Beleidigungen und Bedrohungen erfuhren jeweils drei Wahlkämpfer. Verbotene Symbole registrierte die Polizei dreimal. 

Die meisten beschädigten Wahlplakate hat mit Abstand die AfD zu verzeichnen. 318 Plakate der AfD wurden demoliert. Bei der CDU waren es 101 Plakate, gefolgt von der SPD mit 91, der Linken mit 64 und der FDP mit 41 lädierten Plakaten. 16 Plakate der Grünen sind beschädigt worden. In Schleswig-Holstein dokumentierte man bis zum 27. August elf Straftaten, die „keinen unmittelbaren Bezug zu einer bestimmten Partei erkennen“ ließen. In jeweils vier Fällen handelt es sich um Diebstahl und Sachbeschädigung von Wahlplakaten, in zwei Fällen um Beleidigungen und in einem Fall um Bedrohung. 

Das LKA Sachsen-Anhalt hat vorerst nur Informationen über beschädigte Wahlplakate der vergangenen Landtagswahlen im Juni. Mit 265 Wahlplakaten war auch hier die AfD Hauptziel von Vandalen. Danach folgen die CDU mit 68, die Linkspartei mit 54, die SPD mit 40, die FDP mit 28 und die Grünen mit 23 zerstörten Plakaten. Für Sachsen-Anhalt sowie für die restlichen nicht genannten Bundesländer werden genaue Fallzahlen erst nach der Bundestagswahl vorliegen.

Die Bundestagswahl selbst sei sicher, versprach Bundeswahlleiter Georg Thiel unterdessen am Dienstag erneut. Die technischen Systeme seien mehrfach gesichert, auf mögliche Pannen könne man umgehend und routiniert reagieren. „Alle Auszählungen sind öffentlich“, versicherte Thiel. das endgültige Wahlergebnis werde zudem nach „alter Schule“ analog und in Papierform übertragen und verwahrt.