© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/21 / 03. September 2021

Ökonomische Lösungsansätze für das internationale CO2-Problem
Bestechung fürs Weltklima
Ulrich van Suntum

Deutschlands Anteil an den menschengemachten CO2-Emissionen liegt bei 1,8 Prozent, die EU-27 kommt mit Großbritannien auf 8,7 Prozent. China wird im CO2-Report der EU-Kommission von 2020 mit 30,3 Prozent veranschlagt, Indien mit 6,8 Prozent – Tendenz stark steigend. Selbst ein völlig klimaneutrales Europa würde deshalb kaum etwas an der Erderwärmung ändern. Sofern diese überhaupt beeinflußbar ist, kann dies nur durch internationale Übereinkünfte gelingen. Und grundsätzlich sollte der Klimaschutz dabei dort erfolgen, wo er am kostengünstigsten ist. Die Einsparung von einer Tonne CO2 kostet in China knapp sieben, bei uns bis zu 1.000 Euro. Pro eingesetztem Euro kann also im Reich der Mitte viel mehr erreicht werden als in Europa.

Sowohl aus ökonomischen als auch aus ökologischen Gründen sollte deshalb dort die CO2-Reduktion erfolgen. Das heißt aber nicht, daß diese Länder auch die entsprechenden Kosten allein tragen müßten. Immerhin liegt Deutschland beim Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 mit 9,2 Tonnen etwas höher als China (8,0 Tonnen) oder Indien (1,9 Tonnen). Zwar tragen wir auch entsprechend mehr zur weltweiten Wirtschaftsleistung bei, aber solche Diskussionen sind letztlich müßig. Am Ende ist die Aufteilung der Kosten des Klimaschutzes immer eine Frage von Verhandlungen und Macht. Niemand kann Weltmächte wie China oder die USA, den mit 13,4 Prozent zweitgrößten CO2-Emittenten, zu irgend etwas zwingen.

Man kann sie aber sehr wohl durch Zugeständnisse an anderer Front für eine Kooperation gewinnen. Es gibt ja noch viele andere Konfliktfelder, etwa in der Welthandelspolitik, wo umgekehrt andere Länder etwas von uns erwarten. Und es gibt die Möglichkeit finanzieller Kompensationen. So ist etwa der Konflikt um Nord Stream 2 beigelegt worden: Die Erdgas-Pipeline wird zu Ende gebaut, dafür erhält die Ukraine von den USA und Deutschland viel Geld plus die Zusage, im Mißbrauchsfall Sanktionen gegen Rußland zu verhängen. So sollte man auch beim CO2 vorgehen: Klimaschutz vor allem in den ärmeren Ländern, wo mit einfachen Mitteln viel erreichbar ist; die Kosten werden von den reicheren Ländern getragen. Neben China und Indien kommen als Adressaten dabei auch Südamerika und Indonesien in Frage, wo in großem Umfang Regenwälder und damit CO2-Senken vernichtet werden. Allein die Brandrodung trägt mit etwa elf Prozent mehr zum weltweiten CO2-Ausstoß bei als die gesamte EU. Man könnte die Waldvernichtung mit relativ wenig Geld aus Europa stoppen, statt für Minimaleffekte hierzulande eine Industrie nach der anderen zu ruinieren.

Um solche Abkommen zu erleichtern, sollte man eine Klimaschutzinstitution ähnlich der Welthandelsorganisation (WTO) gründen. Diese begann 1947 als Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) mit 23 Mitgliedsstaaten – heute sind es 164 WTO-Länder. Trotz mancher Rückschläge war die WTO eine Erfolgsgeschichte. Denn auch der freie Welthandel liegt nicht immer im Interesse einzelner Länder, sondern bedarf entsprechender Abkommen. Man mag das Prinzip von Leistung und Gegenleistung als Bestechung bezeichnen, aber es funktioniert wenigstens. Wie heißt es schon bei Goethe: Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles.






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Wilhelms-Universität Münster.