© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/21 / 03. September 2021

Leserbriefe

„Wer hätte das ahnen können“ von Hans-Hermann Gockel, JF 35/21

Jenseits internationaler Kriegsordnung

Es weht ein Hauch des Augusts 2015 im August 2021: Wurde damals unbegrenzte Aufnahme für „Fachkräfte“ aus Syrien signalisiert, so müssen sich nun „Ortskräfte“ aus Afghanistan nach Deutschland eingeladen fühlen. Köche, Fahrer, Informanten, Friseure, nebst Familienanhang, angebliche „Dolmetscher“, die über Skype in öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen in schlechtem Englisch radebrechen dürfen und offenbar kein einziges Wort Deutsch beherrschen. Nach welcher internationalen Kriegsordnung sind eigentlich Besatzungstruppen verpflichtet, bei ihrem Abzug kollaborierende Einheimische mitzunehmen? Hätte Napoleon 1815 beim Abzug nach Frankreich alle Deutschen mitgenommen, die ihm die Jahre vorher zu Diensten waren, wären ganze Landstriche danach vollkommen unbewohnt gewesen. 

Wenn der Bundeswehr-Zahlmeister nicht ungeschickterweise seine Abbuchungsdateien auf den Festplatten gelassen hat, weiß doch spätestens in 14 Tagen in dem Chaos, das leseunkundige Steinzeit-Islamisten nun von der Vorgängerpseudoregierung übernehmen, kein Mensch mehr, wer wann wo was für unsere Truppen getan hat. Außer natürlich über böswillige Denunziation und Gerüchte durch Einheimische – aber die wird es sowieso geben, und sie treffen tatsächliche „Ortskräfte“ genauso wie völlig Unbeteiligte. Das Narrativ von den „demokratischen Strukturen“, den Polizeikräften und der 300.000-Mann-Armee, die dort in 20 Jahren angeblich geschaffen wurden, war jedenfalls ein Potemkinsches Märchen, das hier nur allzu gern geglaubt wurde. 

Dr. phil. Jürgen Ptucha, Gotha




Deutschland ist kein Zufluchtsort für alle

Die einheimischen Helfer der Bundeswehr in Afghanistan fürchten nun die Rache der Taliban. Auf Weltoffenheit und Antirassismus fixierten Deutschen kann als Lösung des Problems natürlich nichts anderes einfallen, als sie nach Deutschland zu holen. Wären diese Deutschen etwas flexibler, fiele ihnen vielleicht als Alternative ein, argumentativ auf die Taliban einzuwirken. Sie könnten die Taliban, die Gefolgsleute des Propheten Mohammed, daran erinnern, daß es sicher im Sinne ihres Propheten ist, Gerechtigkeit walten zu lassen. Wenn sie Kämpfern der afghanischen Regierungstruppen, die mit Waffen gegen sie gekämpft haben, Amnestie gewähren, müßten sie diese auch den Helfern fremder Streitkräfte, die als Dolmetscher gegen sie gearbeitet haben, gewähren. Sie könnten auch darauf kommen, daß die Deutschen moralisch nicht verpflichtet sind, die Helfer der Bundeswehr, die sogenannten Ortskräfte, bei aller Sympathie auf Dauer in Deutschland aufzunehmen. Diese Ortskräfte haben aus eigennützigen Motiven gehandelt und nicht, um Deutschland zu helfen. Entweder waren es materielle Interessen, oder es war das ideelle Interesse, die Taliban nicht an die Macht kommen zu lassen. Wenn ihr Kampf oder ihre Arbeit vergeblich war, müssen sie auch die Konsequenzen tragen. Deutschland kann nicht der Hort all derer sein, die im Existenzkampf unterliegen.

Dieter Bliesener, Hamburg




Evakuiert oder Ruhender Islamismus

Die Afghanen, die jetzt zu uns kommen, fliehen, wie Baerbock et al. uns erklären, vor dem „Islamismus“ der Taliban. Doch merkwürdigerweise durchschauen gerade muslimische Flüchtlinge die kulturell-religiösen Ursachen ihrer Misere kaum. Im Gegensatz zu den Flüchtlingen aus kommunistischen Staaten, die genau wußten, vor welcher „Kultur“ sie davongelaufen sind und welcher sie die Zustände in ihren Herkunftsländern zu verdanken hatten, erkennen muslimische Flüchtlinge die kulturellen Hintergründe ihrer Misere nur selten. Viele wollen im Gegenteil ihre archaische Religion zu uns importieren. Die mangelnde Selbsterkenntnis der Muslime ist zweifellos ihr größtes Integrationshindernis. 

Gibt es eine realistische Hoffnung, daß die Afghanen, die nun zu uns kommen, eine Ausnahme von dieser Regel sind? Wir können es nur hoffen. Besser wäre es für sie – und sicherer für uns –, Muslime fänden grundsätzlich in Ländern ihres Kulturkreises Zuflucht. Wenn wir nicht in Dummheit sterben wollen, sollten wir beherzigen, was der Algerier Ferhat Mehenni, Präsident der Pariser Exilregierung der Kabylei, uns Europäern ins Stammbuch schreibt: „Der Islam ist der Islamismus in Ruhe und der Islamismus ist der Islam in Bewegung. Beides ist ein und dasselbe.“ Wollen wir wirklich mehr Islam – mehr Islamismus in Ruhe?

Dr. Marie-Jeanne Decourroux, München






Zum Schwerpunktthema: „Ein zweites Vietnam“, JF 34/21

Der Westen – wie ein geprügelter Hund

Besonders beziehe ich mich hier auf den Forum-Beitrag von Bruno Bandulet (JF 35/21) über Afghanistan als abermaligen Friedhof der Imperien („Nur ein weiteres Grab“). Sie waren gebildet, sie waren scheinbar auch integriert und hatten ihr Auskommen, dann setzten sie sich in die Flugzeuge und stürzten sich am 11. September 2001 ins World Trade Center. Da ja direkt bei diesem Anschlag kein Afghane beteiligt war, ging ich bei der westlichen Invasion von einer zeitlich begrenzten Polizeiaktion in Afghanistan aus. Der Einsatz dauerte aber immer länger, und man erhoffte die endgültige Vertreibung der Taliban, die ja direkt mit dem Anschlag nichts zu tun hatten, nachdem Obama 2009 das US-Kontingent aufstockte. Aber kaum zeigten sich erste Erfolge, verkündete Obama 2010 den endgültigen Abzug bis 2014. 

Die Taliban brauchten also nur zu warten, bis die kriegsmüden USA das Land verlassen würden. Das zog sich dann bis 2021 hin, nachdem Trump und Biden den Abzug bekräftigt hatten. Die jetzigen Bilder von der Flucht des Westens sind schlimmer als die von 1975, als die letzten „Ortskräfte“ in Saigon vom Dach der US-Botschaft ausgeflogen wurden. Wenn der Westen wie ein geprügelter Hund aus Afghanistan hinausgejagt wird, ist sicherlich mit weiteren negativen Folgen im „Kampf der Kulturen“ zu rechnen. Offenbar haben Politik und „Qualitätsmedien“ uns 20 Jahre etwas vorgegaukelt und eine Scheinwelt wie Nation-Building, Zivilgesellschaft usw. erzählt , die mit der Realität nichts zu tun hatten. Hoffentlich erinnern sich die Wähler zur Bundestagswahl daran, was für Märchen der politisch-mediale Komplex dem Wähler auch zu anderen Themen auftischt.

Detlef Moll, Nümbrecht




Kabul oder Kanonade von Valmy 2.0

Sehr geschätzte Bannerträger des Freiheitsgedankens! Zu den sich überstürzenden Ereignissen fiel mir ein Ausspruch Goethes ein, als ein Heer aus Preußen, Österreichern und französischen Royalisten versuchten, nach der Festsetzung von König Ludwig XVI., das Königtum wiederherzustellen, und von einem zusammengewürfelten Bürgerheer vertrieben wurden, womit die bestehende Herrschaftsordnung zu Fall gebracht wurde. Dies ist in die Geschichte als Kanonade von Valmy eingegangen. Goethe schrieb dazu: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Afghanistan hat den Westen demaskiert und wird meines Erachtens als Fanal für eine neue Weltordnung mit neuen Wichtungen in die Geschichte eingehen.

Jörg Landgraf, Heusenstamm






Zu: „Dreieinigkeit im Staatsdienst“ von Ronald Berthold, JF 33/21

Filzokratie durch Rautengeflecht

Ich habe selten einen Artikel gelesen wie den von Ronald Berthold, der die Relikte einer ehemals funktionierenden Gewaltenteilung in unserer Republik so treffend und genau beschreibt: Legislative, Exekutive und Judikative arbeiten Hand in Hand, wenn es den Zwecken der Regierung dienlich ist, das notwendige Regulativ der vierten Gewalt im Staat fällt, bis auf wenige rühmliche Ausnahmen wie die JF, aus. Täglich nährt sich bei mir der Verdacht, daß aus einer ehemals funktionierenden Demokratie eine Filzokratie geworden ist. Diese trägt, sowohl was ihre Entstehung als auch ihre praktische Handhabung betrifft, eindeutig die Handschrift von Merkel. Ohne der JF weh tun zu wollen: Dieser Artikel hätte ein Millionenpublikum verdient.

Herbert Sohn, Wetter




Zweifel: Noch unabhängige Judikative?

Glückwunsch an Herrn Berthold zu dem überzeugenden Artikel „Dreieinigkeit im Staatsdienst“. Nur eine kleine Ergänzung: Die Kanzlerin hatte die Verfassungsrichter Anfang Juli zu einem Essen eingeladen, am 5. August wurde die GEZ-Gebührenerhöhung vom BVerfG für rechtens erklärt, und am 11. August wurde der Eilantrag der AfD bezüglich der verweigerten Wahl des Bundestags­vizepräsidenten abgewiesen. Angesichts der Abfolge dieser Ereignisse fällt es schwerer, hier an Zufälle als an Kausalität zu denken. Steht hier die Unabhängigkeit der Judikative auf dem Spiel? Die Frage drängt sich unweigerlich auf.

Dr. Wolfram Euler, München




Vierte Gewalt firmiert als fünfte Kolonne

Eine treffendere Beschreibung des Zustandes unserer deutschen Bananenrepublik habe ich bisher noch nicht gelesen, auch Ihre Karikatur trifft den Kern. Die Gewaltenteilung im deutschen Rechtsstaat scheint längst den Bach runter. Wenn man weiß, von wem unsere höchsten Richter auf ihre Sessel gehievt werden, dann verwundert der Kuschelkurs der Dankbaren mit Merkel im Kanzleramt absolut niemanden mehr. Die Mitglieder des Parlamentes sind doch fast ausschließlich an vollen Taschen und Trögen interessiert, der Innenminister gibt seinen Polizeichefs die Richtung vor, der Justizminister seinen Richtern. Und die „vierte Gewalt“ ist zur fünften Kolonne verkommen. Hauptsache, alle gegen die AfD, auch wenn dabei das Recht auf der Strecke bleibt. Und wen interessiert schon die Entscheidung eines Länderparlamentes, wenn sie nicht der Staatspropagandaabteilung dienlich ist. Unser Deutschlehrer sagte uns damals: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.

Dietmar Huff, Üttingen






Zu: „Ein vergangenes Sommermärchen“ von Matthias Matussek, JF 32/21

Traumhaft oder ein realistisches Urteil

Wenngleich nachträglich, will ich Herrn Matussek zu seinem überaus gelungenen Artikel gratulieren, da es unhöflich wäre, diese wunderschöne Reflexion unkommentiert zu lassen. Einzigartig, wie er die Entwicklung der Gesellschaft der vergangenen Jahre in Deutschland treffend und – so schlimm sie leider ist – träumerisch amüsant beschreibt. Angesichts der vorwiegend linksgrünen Pädagogen und Journalisten und einer Gesellschaft, die sich im betreuten Denken wohl fühlt, wird der abschließende hoffnungsvolle Ausblick leider nur ein Traum bleiben.

Peter Ganahl, Grafing






Zu: „Salzkammergut / ʻBitte sehr, bitte gleich’“ von Hinrich Rohbohm, JF 30–31/21

Unrechtmäßige Partizipation

Die Werbefritzen werden mich steinigen, wenn ich einem reduzierten Salzkammergut-Begriff das Wort rede. Doch so, wie Sie das Gebiet umgrenzen, ist es viel zu umfangreich; rein historisch gesehen umfaßt es lediglich das Flußgebiet der oberen Traun aus Steiermark und Oberösterreich bis zur Salzhandelsstadt Gmunden – und keinesfalls das Gebiet von Salzburg, das bis 1816 nicht zu Österreich gehörte und daher auch seiner Hofkammer nicht unterstellt sein konnte. Die Landeshauptstadt Salzburg samt dem Schloß Mirabell ins Salzkammergut eingemeinden zu wollen dürfte beim Geographen wie beim Historiker die Alarmglocken läuten lassen. 

Aber bitte, bei toleranterer, erweiterter Definition kommt noch der gesamte Wolfgangsee mit seinen beiden salzburgischen Gemeinden Strobl und Sankt Gilgen dazu, weiters am gebirgigen Südufer des Attersees Steinbach und Unterach, keineswegs aber der nördliche Attersee, der zum Attergau gehört, und auch nicht Fuschl im Lande Salzburg. Hier wollen oberösterreichische und salzburgische Gebirgsgemeinden am Werbebegriff „Salzkammergut“ partizipieren; das ist ebenso unzulässig wie Ihre Umgrenzung auf der Landkarte – als wäre das Salzkammergut ein Landkreis. Tatsächlich hat es nur an verschiedenen politischen Bezirken Anteil, am meisten am Bezirk Gmunden. 

Weitere Kritikpunkte: Sie schreiben von sechs Dampfern auf dem Wolfgangsee – tatsächlich gibt es im Salzkammergut nur mehr ein Dampfschiff, die „Gisela“ auf dem Traunsee; der „Franz Josef“ auf dem Wolfgangssee ist ein umgebauter Pseudodampfer, die anderen sind Motorschiffe. Außerdem wäre politisch erwähnenswert, daß der Wirt „Zum Weißen Rössl“, Mag. Helmut Peter, ein FPÖ-Abgeordneter und Schulkamerad Jörg Haiders war, der 1993 von diesem abfiel und zum Liberalen Forum wechselte. Immer wieder ärgert mich zudem die Bezeichnung Ischls als „Kaiserstadt“. Sie schreiben richtig, daß es erst 1908 zum Bad erklärt wurde, aber zu Kaisers Zeiten war und blieb es ein Marktflecken; erst 1940 wurde es von den Nationalsozialisten zur Stadt erhoben – und die hatten mit dem Kaiser nichts am Hut. „Kaiserstadt Bad Ischl“ ist nichts anderes als ein Anachronismus. Und Mozarts einzige Beziehung zum erweiterten Salzkammergut-Begriff ist, daß seine Mutter, Anna Maria, Pertl in Sankt Gilgen am Wolfgangsee geboren wurde.

Dr. Max Obauer, Gmunden/Österreich