© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/21 / 03. September 2021

Einatmen. Ausatmen.
Im Inneren aufräumen: Zahlreiche Apps helfen beim Meditieren
Maik Stüssel

Wir versuchen konzentriert ein verschwurbeltes Buch zu lesen, einen Essay für die Uni zu schreiben oder einer anderen intellektuell fordernden Aufgabe nachzugehen, doch die verklebten Synapsen sind irgendwie nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu produzieren. In unserem Gehirn sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa.

Um dieses Problem zu beheben, lohnt ein Blick auf altbewährte Methoden, die kultur- und religionsübergreifend den Menschen unter anderem dabei helfen können, ihre Gedanken und Emotionen zu ordnen. Die Rede ist von Meditation, einer Gruppe von Geistesübungen, die seit Jahrtausenden fester Bestandteil von Buddhismus, Hinduismus, Konfuzianismus und selbst des Christentums sind und durch das bewußte Steuern der Aufmerksamkeit zu nachhaltigen positiven Veränderungen des menschlichen Bewußtseins führen sollen, wie nicht nur persönliche Erfahrungsberichte vermuten lassen, sondern auch zunehmend viele wissenschaftliche Studien nahelegen. 

Meditieren ist dabei mitnichten nur etwas für die „woken“ Nachkommen des Bionade-Bürgertums, deren größter Traum es ist, ihr „Gap Year“ in Indien zu verbringen, um die Zubereitung der kompliziertesten Asanas und der authentischsten Currys zu lernen. Auch der Konservative, der nicht nur seinen Garten, sondern auch seine Gedanken und Emotionen von nervigem Unkraut freihalten will, mag in den verschiedenen Formen und Lehren der Meditation ein nachhaltiges Unkrautvernichtungsmittel finden, um sein Gehirn von Kraut und Rüben zu befreien. 

Zu unterscheiden ist hierbei die Unterteilung in passive und aktive Meditation. Als bekannteste Form der aktiven Meditation sind die Atemtechniken und Körperhaltungen des Yoga hervorzuheben, das es sich gemäß der Tradition zum Ziel gesetzt hat, Seele und Körper des Praktizierenden zu sammeln, beide schließlich eins werden zu lassen, und seit Jahren in immer mehr Gesellschaftskreisen einen festen Platz einnimmt.

Die im Westen wohl bekannteste Form der passiven Meditation ist die sogenannte Einsichtsmeditation (Vipassana), bei der der Praktizierende in einer aufrechten Sitzhaltung (z. B. Lotossitz) verweilt und durch das Gewahrsein im Hier und Jetzt sowie das nicht wertende Beobachten von Gedanken und Gefühlen tiefe Einsichten gewinnen will.

Bei der Konzentrationsmeditation (Shamata) liegt der Schwerpunkt auf einem einzelnen Objekt, wie zum Beispiel dem spürbaren Atem, einem bestimmten Gedanken oder einem Bild. Die Fokussierung auf einen einzelnen Gegenstand und das Ausblenden der üblichen Gedankengänge sollen hierbei zu einer tiefen Beruhigung des Geistes führen.

Um Interessierten einen praktischen Zugang zu bieten, gibt es auf dem Markt eine wachsende Zahl von Apps, die Meditation einem breiten Publikum zugänglich machen. Diese Anwendungen sind auf dem Vormarsch, weil sie einen nutzergerechten Zugang zur Meditation für Menschen schaffen, die ohnehin bereits allerhand Apps zu einem festen Bestandteil ihres Alltags gemacht haben. Sie stellen somit insbesondere für „Digital Natives“ einen „natürlichen“ Zugang dar.

Unterschiedliche Schwierigkeitsstufen

Die in Deutschland wohl bekannteste Meditationsapp ist 7Mind, deren Basisversion nach erfolgreicher Anmeldung kostenlos zur Verfügung steht und unter anderem verschiedene Einzelmeditationen zum Einschlafen oder Entspannen sowie spezielle Lektionen zu besserer Konzentration und zum sichereren Umgang mit Emotionen bietet. Sogenannte Gamification-Elemente in Form von Medaillen bieten zusätzliche Anreize, die App regelmäßig zu nutzen. Wem die Basisversion nicht reichen sollte, der kann ein kostenpflichtiges Abo abschließen, das sogar von einigen Krankenkassen bezuschußt wird.

Bei Headspace handelt es sich um eine ähnlich geartete App, die mit Hilfe von zeitlich überschaubaren Einheiten Meditation in den Alltag des Nutzers zu integrieren versucht.

Zunehmender Beliebtheit erfreut sich außerdem die App Waking Up des US-amerikanischen Autors und Neurowissenschaftlers Sam Harris. Im Sinne der buddhistischen Tradition ist es ihr erklärtes Ziel, fundamentale Einsichten in die Beschaffenheit des Lebens zu erhalten. Neben der täglich wechselnden Meditation stehen Übungen mehrerer Schwierigkeitsstufen zur Verfügung, um es sowohl Anfängern als auch bereits Fortgeschrittenen zu ermöglichen, die verschiedenen Formen der Meditation zu entdecken. 

Ergänzt werden die Meditationen durch zahlreiche Theorielektionen, Podcasts und speziellere Meditationen, die sich zum Beispiel mit den philosophischen Ideen der Stoiker befassen.

Foto: Längst ist Meditation auch etwas für Konservative: Ordnung im Kopf schaffen