© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Schlechtes Klima für die Freiheit
Die Politik überbietet sich mit Forderungen zum Klimaschutz: Weiß der Wähler, was er wählt?
Holger Douglas

Jeder hat sich Gestelle mit Solarzellen auf die Dächer montieren zu lassen, alle Heizungen rauszuwerfen und schließlich zu erdulden, daß ihm immer wieder der Strom abgeschaltet wird. Fleisch kommt nicht mehr auf den Teller, das Lastenrad hat den Diesel ersetzt, und Flugreisen gibt es nicht mehr. Mosel statt Mallorca. 

Utopie? Nordkorea? Nein, das sind tatsächlich Vorstellungen, wie sie in der Politik geäußert werden. Annalena Baerbock erneuerte im Fernseh-Triell der Kanzlerkandidaten ihre Forderung nach einer bundesweiten Solarzellenpflicht auf den Dächern, ohne konkreter zu werden. Unter normalen Umständen würde sich jedermann an den Kopf fassen und den Angriff auf das Privateigentum ablehnen. Doch anders, wenn der im Namen eines Höheren geschieht und wenn es um nichts weniger als um die Rettung des Klimas und der Zukunft, ja der Welt geht.

Da müssen mit Holz befeuerte Kamine ohne Luftfilteranlagen verboten werden ebenso wie Ölheizungen. In Stuttgart haben Grüne bei „Feinstaub­alarm“ ein „Betriebsverbot für Komfort-Kamine“ – Kamine, die nur als zusätzliche Wärmequelle dienen – erlassen, das auch kontrolliert wird. Das sind praktische Auswirkungen jener Politik, die vorgibt, das „Klima schützen“ zu wollen. Seitdem vor sechs Jahren die Vereinten Nationen nach jahrzehntelangen Klimadiskussionen nichts Geringeres als die „Decarbonisierung“ der Weltwirtschaft beschlossen, prescht vor allem Deutschland weltmeisterlich vor. Die bisherigen Ergebnisse dieser „Klimaschutzpolitik“ sind desaströs: Die Preise für Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas sind so hoch wie nie zuvor. Deutschland hat weltweit die höchsten Preise für Strom bei immer häufigeren Versorgungsengpässen. Ein Ende dieses steilen Anstiegs ist nicht in Sicht. Wo künftig die Grundlast bei Flaute herkommen soll, wenn alle Kraftwerke nacheinander abgeschaltet werden, weiß niemand. Mit rigorosen Verboten für Benzin- und Dieselautos ab 2035 und drastischen CO2-Verminderungsetappen wird eine der industriellen Säulen Deutschlands zerstört. Die Mehrheit der Deutschen hält allerdings davon nichts, nur 33 Prozent sind nach einer Civey-Umfrage dafür.

Doch unter den meisten Parteien – Ausnahme AfD – ist ein Überbietungswettbewerb ausgebrochen: Wer fordert noch mehr Windräder? Wer will noch schneller Einspruchsmöglichkeiten der Bürger einschränken? Wer schaltet noch schneller die Kraftwerke ab? Gute Chancen hätten vermutlich Initiativen, die vier Hauptsätze der Thermodynamik abzuschaffen oder sie – um mit einem der beliebtesten Begriffe zu reden – „umzubauen“.

Greenpeace, zu dessen 50jährigem Bestehen Kanzlerin Merkel vor kurzem die Festrede gehalten hatte, und der Abmahnverein Deutsche Umwelthilfe (DUH) wollen jetzt sogar die Autohersteller dazu verpflichten, ihr Geschäftsmodell so zu ändern, daß sie die Ziele des Pariser Klimaabkommens erfüllen, also keine Autos mit Verbrennermotor mehr bauen. Ebenso soll das Öl- und Erdgasunternehmen Wintershall spätestens ab 2026 keine neuen Öl- und Gasfelder mehr erschließen. Dafür wollen beide Organisationen „Klimaklagen“ anstrengen. Grundlage ist jenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021, nach dem das Grundgesetz unter einem Klimavorbehalt stehe.

Wenn die Ideologie die Realität überholt, kann ein genauer Blick auf die Wirklichkeit hilfreich sein, der Zukunft illustriert. Wärmepumpen beispielsweise sollen künftig eine zentrale Rolle spielen und Häuser und Wohnungen mit Energie für Heizung und Warmwasser versorgen, wenn Kohle-, Öl- oder Gasheizungen abgeschaltet werden müssen. Denn im „Klimapaket“, das die Bundesregierung im Oktober 2019 beschlossen hat, ist tatsächlich das Verbot von Ölheizungen ab 2026 aus „Klimaschutzgründen“ enthalten.

Handwerksbetriebe kommen mit der Montage der Wärmepumpen kaum hinterher. Doch die Geräte garantieren heftigen Streit in Siedlungen. Sie sind oft laut, wenn sie nachts anspringen und für einen hohen Grundlärmpegel zwischen eng stehenden Wohnhäusern sorgen. An kalten Tagen wird es nicht richtig warm. Ursachen können laut Informationsschriften über Fehler bei Wärmepumpen für Handwerksbetriebe sein: „Der Elektroheizstab fehlt oder ist nicht richtig angeschlossen.“ Bedeutet: Bei kühleren bis kalten Tagen funktioniert die Wärmepumpe wie eine schnöde Elektroheizung. Wenn die Vorlauftemperatur zu gering ist und die Heizkörper nicht richtig erwärmen kann, heizt sie mit einem größeren Tauchsieder Heizwasser auf, damit die Wohnung warm wird – nichts anderes als eine Elektroheizung und angesichts hoher Strompreise auf Dauer eine teure Angelegenheit. 

Im Klartext heißt dies, Wärmepumpen taugen nicht für die Versorgung von Häusern mit Wärme. Unsinnige Technologien sollen auf Biegen und Brechen durchgedrückt werden. Unabhängig davon, ob der Markt sie will oder nicht. Rationierungen und Mangelverwaltung stehen im Raum: Olaf Scholz sprach in der Fernseh-Kanzlerkandidatenrunde von einer Begrenzung der Strommenge, die notwendig werde. Er weiß, es ist künftig zu wenig Strom da. Niemand widerspricht ihm.

Solch tiefgreifende Umwälzungen auf der Grundlage einer unbewiesenen CO2-Hypothese müßten eigentlich intensiv öffentlich diskutiert werden, ob die tatsächlich gewollt sind. Das ist nicht geschehen. Statt dessen wurden CO2-Grenzwerte auf dem Papier munter heruntergesetzt, während sie in der Praxis immer neue Höhen erklommen. Denn ohne Energie kann kein Industrieland der Welt existieren. Wachstum bedeutet immer ein Mehr an Energieverbrauch und umgekehrt. Während Deutschland auf Kernkraft verzichtet, setzt Nachbar Frankreich darauf und kann sich zudem noch eines geringeren CO2-Ausstoßes rühmen.

Schon geringe Einwände an diesem Kurs eines Klimadiktats sollen indiskutabel werden. Regelmäßig taucht die Forderung auf, „Klimaleugnern“ den Mund zu verbieten. Im Mittelalter drohte der Scheiterhaufen für „falsche“ Bibelauslegung, heute die Exkommunikation derjenigen, die nicht hinreichend der Ökoreligion huldigen. Der Klimaspruch aus Karlsruhe erlaubt jetzt zusätzlich, Freiheiten aufgrund eines „Klimawandels“ einzuschränken. Nach dem Corona-Lockdown ist also vor dem Klima­-Lockdown. Doch das alles dient nur der „Klimagerechtigkeit“, dem vermeintlich Guten also.

Was, wenn in zehn Jahren die Ruinen eines ehemaligen Industrielandes nahelegen, daß das „Gute“ doch nicht so gut war?