© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Bundestagswahl
Der Absturz der CDU hat Gründe
Dieter Stein

Lange nicht war eine Bundestagswahl so unwägbar und bot so viele Überraschungen. Der Absturz der Union in den Umfragen ist so dramatisch wie die Wiederauferstehung der SPD. Für CDU und CSU schlägt eine Besonderheit dieser Wahl besonders durch: Bei noch keiner Bundestagswahl seit 1949 gab es das Phänomen, daß der Amtsinhaber nicht mehr antritt. Alle Bundeskanzler verloren bisher ihr Amt entweder wegen einer verpatzten Wahl oder sie wurden vorzeitig abgesetzt.

Angela Merkels Abschied aus der Politik ist also eine Premiere. Daß die Union darauf verzichtet hat, einen vorzeitigen Wechsel zu erzwingen, rächt sich nun. In den Augen der Wähler verfügt Olaf Scholz von der SPD als Vizekanzler nun über den Amtsbonus. Zudem hat es die SPD geschafft, trotz völliger Zerstrittenheit, Scholz schon vor einem Jahr als Kanzlerkandidat zu nominieren.

Die abtretende Kanzlerin machte keine Anstalten, einem starken Nachfolger den Weg zu bereiten.

Armin Laschet wurde erst fünf Monate vor der Bundestagswahl nach einem Machtkampf mit seinem Rivalen, CSU-Chef Markus Söder, aufgestellt. Der Union gelang es nicht, die Partei wieder vollständig zu befrieden und Geschlossenheit zu demonstrieren. Es machte sich Lähmung breit. Entsprechend desolat ist die Wahlstrategie des Adenauer-Hauses. Auf den letzten Metern wurde nun hektisch ein „Team Laschet“ zusammengestöpselt, mit vielen unbekannten Gesichtern – eher weiterer Ausdruck von Hilflosigkeit.

Die SPD wiederum verzichtet bewußt auf ein Team: Weil es deutlich machen würde, daß hinter Scholz mit seiner bürgerlichen Fassade eine Mannschaft mit radikalem Linksdrall steht. Die verheerende Flut im Juli lieferte Wasser auf die Mühlen der Klima-Apokalyptiker. Jetzt verdrängen diese Bilder wieder Meldungen über explodierende Spritpreise, weitere Belastungen durch steigende Energiekosten und zusätzliche Steuern und Abgaben. Das würde klassisch der Union nutzen. Wird das die Wahlentscheidungen noch beeinflussen? Wahrscheinlich überlagert alles das Bild einer abtretenden Kanzlerin, die keine Anstalten machte, einem starken Nachfolger den Weg zu bereiten. Damit dominiert der Eindruck einer führungslosen, amtsmüden CDU/CSU und eines stoischen SPD-Kanzlerkandidaten, der sich den anlehnungsbedürftigen Wählern als väterlicher Garant der Stabilität empfiehlt.

Warum profitiert die AfD nicht von der Schwäche der Union? Die FDP ist in den Umfragen vorbeigezogen, die Freien Wähler werden nahe der Fünf-Prozent-Hürde taxiert. Die AfD kennt die Gründe, doch es fehlt auch hier an Führung, die richtigen Entscheidungen zu treffen.