© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Frankfurter Paulskirche als Erinnerungsort
Da gibt es noch mehr zu lernen
Konrad Adam

Daß die Erinnerung an die Frankfurter Paulskirche und das, wofür sie steht, neu belebt werden soll, ist eine gute Nachricht. Der erste deutsche Verfassungstext, der dort entstand, war ein großer Wurf, in vielem nahm er das Grundgesetz vorweg, ging hier und da sogar noch etwas weiter. Der Grundrechtsschutz ist vorbildlich, die Vor-Zensur, das Erbübel der Heiligen Allianz zwischen Rußland, Österreich und Preußen, wird abgeschafft, ein Reichsgericht konzipiert, das dem Bundesverfassungsgericht ähnelt. Leider haben die Verfassungsväter – Mütter gab es damals ja noch nicht – am Kaisertum festgehalten, eine Idee, die das Ganze schließlich zu Fall brachte, weil der preußische König die ihm angebotene Krone zurückwies. 

Zu lernen gibt es allerdings noch mehr, und es ist zu hoffen, daß die Kommission, die das Vorhaben realisieren soll, diesen Punkt nicht vergißt: daß nämlich die beste Verfassung nichts hilft, wenn sie nicht befolgt wird. Am Ende einer Kanzlerschaft, in der das Grundgesetz in beispielloser Weise mißachtet worden ist, gibt es Anlaß genug, an so banale Dinge zu erinnern. Das Grundgesetz gibt Regeln vor, und die sind zu beachten, gleichgültig ob einem das Ergebnis paßt oder nicht. Verfassungen sind nichts fürs Museum, sie gehören in die Hand des Bürgers und müssen verteidigt werden gegen jeden, der es unternimmt, sie zu unterlaufen.






Konrad Adam war Feuilletonredakteur der „FAZ“ und Chefkorrespondent der „Welt“.