© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

„Angst ist ihr Mittel“
Kaum ein alternativer Youtuber bietet ein so qualitätvolles Programm wie Feroz Khan: Der Wahl-Dresdener widerlegt auf seinem Kanal „achse:ostwest“ regelmäßig einschlägige Narrative und Falschinformationen von Politik und Medien
Moritz Schwarz

Herr Khan, derzeit fordern Sie mit Ihrer Straßenaktion „Ich wähle AfD – change my mind!“ Passanten dazu auf, Ihre Meinung zu ändern. Hat Sie schon jemand überzeugt, doch eine andere Partei zu wählen? 

Feroz Khan: Bisher noch nicht. Aber es waren einige sehr interessante Herangehensweisen dabei, die ich zuvor nicht im Blickfeld hatte.

Warum machen Sie die Aktion, worauf zielt sie ab? 

Khan: Ich möchte den Themen, für die die AfD steht, Gehör verschaffen, weil die etablierten Medien hier in puncto Repräsentation versagen. Wenn sie nicht zu uns zum Gespräch kommen, dann kommt das Gespräch eben zu ihnen.

Wie reagieren die Leute? 

Khan: Ich denke, viele meiner Gesprächspartner haben danach das Vernommene an ihrer Realität reflektiert und es ist sicherlich das eine oder andere hängengeblieben. Zum anderen liegt der Erkenntnisgewinn vor allen Dingen auch beim oppositionellen, unentschlossenen oder apolitischen Zuschauer.

Wann und wie haben Sie eigentlich bemerkt, daß mit unserem Land etwas nicht stimmt?

Khan: Nachdem ich ein Jahr lang die Berichterstattung über Pegida verfolgt hatte, war ich Ende 2015 vor Ort – und sehr überrascht, entgegen meiner Erwartung erstens keine Anfeindungen zu erleben, zweitens wie aggressiv die Gegendemonstranten waren, die dennoch die Gunst der Medien genossen. Es war eine bittere Pille, erleben zu müssen, daß die zu Unparteilichkeit berufenen, vermeintlich objektiven Medien ihre Rolle alles andere als verantwortungsbewußt wahrnahmen und gezielt die Bürger des Landes diffamierten.

Dennoch sind Sie gerne Deutscher, warum? 

Khan: Ich lebe gerne in Deutschland. Ich leugne meine deutsche Prägung so wenig wie meine pakistanische. Ich sehe mich insofern als Patriot, als ich eine tiefe Verbundenheit zu Deutschland spüre. Das beinhaltet die deutsche Kultur genauso wie das deutsche Volkswesen, also die Deutschen. Dazu kommt, daß Deutschland meine Eltern vor etwa vierzig Jahren aufgenommen, ihnen ein menschenwürdiges Dasein und sozialen Aufstieg ermöglicht hat. Ich möchte mich dafür auf meine Art revanchieren und fühle mich dabei meinem Gewissen verpflichtet. 

Zum Studieren zogen Sie ausgerechnet nach Dresden. Besteht dort nicht, glaubt man den Medien, für Leute mit Ihrem Erscheinungsbild erhöhte Gefahr? 

Khan: Meine ethnisch mittelöstliche Erscheinung zog in den ersten Jahren viel Aufmerksamkeit auf sich, das war gewöhnungsbedürftig, hat sich aber gelegt. Übrigens korrelierte das auch mit den Ereignissen der Kölner Silvesternacht oder dem Terroranschlag vom Berliner Breitscheidplatz. Abgesehen von Blicken habe ich bis heute aber keine einschlägigen, respektive eindeutig ausländerfeindlichen Erfahrungen gemacht. Ich fühle mich in Dresden sehr wohl. Es hat die Debattenkultur noch nicht ganz verloren und ist weniger von den Unannehmlichkeiten großer Städte wie Schmutz, Obdachlosigkeit, Verwahrlosung ganzer Schichten, Ignoranz für die eigene Geschichte und Kultur geprägt. 

Wer hat eigentlich eher ein Problem damit, daß Sie Deutscher sind, Linke oder Rechte? 

Khan: Ich würde die Frage, ob ich Deutscher bin, nicht eindeutig mit Ja beantworten.

Wieso? 

Khan: Das würde dem Sachverhalt nicht gerecht. 

Sie sind hier geprägt, aufgewachsen, geboren, sind Patriot, Staatsbürger sowieso. Was fehlt? 

Khan: Es läuft wohl auf einen Hybrid hinaus. Zwar müssen nicht alle Eigenschaften zweier Kulturen einander ausschließen, aber manche tun es schon. Ich kann nicht kulturell hundert Prozent deutsch und hundert Prozent pakistanisch sein. 

Wer ist oder war jemals „hundert Prozent“ deutsch geprägt? Schon immer gab es gleichzeitig auch andere Einflüsse. Heute sind die Deutschen leider sogar fast überwiegend durch angelsächsiche Jugendkultur, linken Kosmopolitismus, das Internet, Netflix etc. geprägt.  

Khan: Und in meinem Fall ist es eine pakistanisch-muslimische Prägung als außereuropäische Komponente, die unübersehbar in Erscheinung und Sozialisation präsent ist. Doch zurück zu Ihrer Frage: Herabsetzung bezüglich meiner Identität gibt es von beiden Seiten – mit unterschiedlichen Motiven: Linke werfen mir vor, „überintegriert“ zu sein und/oder meine Ethnie zu verraten. Was zeigt, daß auch sie identitäres Denken verstanden und verinnerlicht haben. Rechte sprechen mir wenn, dann die deutsche Komponente der Identität ab. Da ich aber nicht viel von Opfermentalität halte, hat beides für mein Tun wenig Bedeutung.

Eigentlich sind Sie das ideale Beispiel gelungener Integration, wie sich das etablierte Medien und Parteien wünschen, um zu zeigen, daß Multikulti gelingen könne und die AfD unrecht habe. Warum werden Sie also nicht ständig von Medien und Politik eingeladen? 

Khan: Kernvoraussetzung dafür ist wohl, daß sich Migranten in die linke Opferschablone fügen. Tun sie das nicht, lassen sie sich also nicht für linke politische Zwecke instrumentalisieren, stehen sie auf „Gegners Seite“, mindestens jedoch außerhalb der linken Peer-group. Ähnlich wie in der linken Opferhierarchie die Hautfarbe über dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung rangiert, schlägt in diesem Quartett die politische Ausrichtung immer die ethnische Identität. 

Einmal waren Sie doch im Fernsehen und wurden mit dem auf Youtube hochgeladenen Auftritt rasch bekannt. 

Khan: In habe mich in der Zuschauerfragerunde der WDR-Talk-Sendung „Ihre Meinung“ zu Wort gemeldet und, wohl entgegen der Erwartung der Moderatorin, nicht bestätigt, Opfer von Anfeindungen aufgrund meiner Hautfarbe zu sein. Sowie, angesichts der Vorkommnisse 2015/16, geäußert,  Verständnis für jene zu haben, die die Straßenseite wechseln, wenn ich komme, oder mich kritisch beäugen. Das war für viele wohl eine neue, erfrischende Perspektive auf das Gesamtgeschehen.

Was halten Sie von den vielen Ausländischstämmigen auf der anderen politischen Seite, die sich unablässig über „strukturellen Rassismus“ beschweren? 

Khan: Es gibt Migranten, die sich um Integration und sozialen Aufstieg bemühen und wirkliche Benachteiligung erfahren, sich davon aber nicht entmutigen lassen. Und andere, die das als Vorwand nutzen, ihr Nichtbemühen oder gar ihre schiefe Laufbahn zu entschuldigen. Wieder andere tragen ihre nichtdeutschen Wurzeln oder andere Merkmale als politisches Schutzschild vor sich her, wie Hengameh Yagoobifarah, Tarik Tesfu, Mohamed Amjahid oder Malcolm Ohanwe, um so ihren Forderungen an die Gesellschaft besonders viel Ausdruck zu verleihen. Und es gibt welche, die weder ihr Versagen noch ihre Erfolge auf Hautfarbe oder Herkunft projizieren. Ganz normale Menschen, die arbeiten und sich aus politischen Fragen meist raushalten.

Gibt es strukturellen Rassismus?

Khan: Institutionell sehe ich ihn hier und da aufkeimen, insbesondere in den USA, wo die Rassenzugehörigkeit den Zugang zu Hochschulen positiv beeinflussen kann, Stichwort „Affirmative Action“. Hierzulande würde ich aber nur von rassischer oder herkunftsbezogener Diskriminierung sprechen. Etwa wenn einem Ausländer die Wohnung verwehrt wird, weil er Ausländer ist oder wenn Weiße aus einer Sendung ausgeschlossen werden, weil sie weiß sind – so geschehen im öffentlich-rechtlichen Funk-Format „Karakaya Talk“. Allerdings führt ersteres zu viel größerer Empörung. Und linke Opfernarrative, etwa „junge schwarze Frauen“, erfahren weit mehr Aufmerksamkeit, als wenn „alte weiße Männer“ von Nachteilen betroffen sind.

Warum haben Sie Ihren Youtube-Kanal gegründet?

Khan: Ich war schon immer philosophisch veranlagt und hatte zudem als Migrantenkind in Dresden eine interessante Erfahrung und einen neuen, erfrischenden politischen Blickwinkel einzubringen. „Achse:ostwest“ habe ich ihn genannt, weil ich ihn einen Tag nach meinem WDR-Auftritt auf dem Rückweg von Köln nach Dresden im ICE gegründet habe. Das wäre quasi die Ost-West-Achse. Aber auch metaphorisch verbindet mich meine Geburtsstadt Frankfurt am Main mit dem Westen und meine jetzige Wahlheimat Dresden mit dem Osten Deutschlands. Im Großen gesehen stammt meine Familie aus dem Mittleren Osten, und wir sind heute im globalen Westen. Es gibt also viele Parallelen. Ich vertrete auf meinem Kanal meinen Standpunkt, unabhängig und kritisch. Informationen zu bieten ist unerläßlich, um sich zu positionieren, egal ob zugunsten des Mainstreams oder oppositionell. In dieser Hinsicht liefere ich also sowohl informative Inhalte, als auch Widerstand gegen herrschende Paradigmen. Ich sende in die ganze Welt, aber vorrangig interessiert mich der deutschsprachige Raum, wo ich Bewußtsein für gesellschaftlich vernachlässigte Sichtweisen wecken möchte. Es gilt ein Gegengewicht zum herrschenden medialen Narrativ zu bieten, die Lücken zu füllen und Gegenrede zu betreiben. Den Herrschenden kritisch auf die Finger zu schauen, etwas wozu eigentlich die etablierten und öffentlich-rechtlichen Medien berufen wären, welche sich aber bedauerlicherweise immer mehr als Wasserträger der Regierung profilieren.

Heute gehört Ihr Kanal mit 123.000 Abos zu den erfolgreichsten rechten Youtube-Kanälen Deutschlands. Was ist das Rezept für Ihren Erfolg?

Khan: Mir ist wichtig, den Zusehern Mehrwert zu liefern. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen: Meine Videos sind zwar gratis, aber einen Wert läßt der Zuschauer doch da – seine Zeit. Ich möchte das honorieren, indem ich ihm in kürzester Zeit so viel Information Hintergrunddaten, Argumente oder auch Ideen und neue Blickwinkel, liefere wie nur möglich. Ich denke, unterbewußt spürt der Zuschauer das, spätestens rückblickend, wenn er sieht, wieviel er bei mir innerhalb kurzer Zeit Neues gesehen und gehört hat. Und er belohnt das mit einem Abo und regelmäßigem Einschalten.

Während die meisten alternativen Kanäle vor allem Meinung bieten, setzen Sie vergleichsweise stark auch auf Zahlen, Daten, Analyse und Argumente. Liegt das daran, daß Sie von Beruf Ingenieur sind? 

Khan: Es hängt mehr mit meinem Anspruch an mich und die Zuschauer zusammen. Ich will diese mit meinen Videos auf Debatten im realen Leben vorbereiten, auf der Arbeit, am Stammtisch, im familiären Kreis. Da reicht es nicht, zu wissen, daß man mit seinem Standpunkt nicht alleine ist und dieser auf Youtube prominent vertreten wird, sondern es müssen handfeste Informationen her, mit denen meine Zuschauer in Diskussionen die Gegenseite herausfordern und widerlegen können. Allerdings sind Fakten und Argumente zwar unerläßlich, aber nicht einzig entscheidend. Humor ist unverzichtbar. Wenn wir verlernen zu lachen, vor allem über uns selbst, haben wir bereits verloren.

Was genau stört Sie eigentlich politisch? 

Khan: Vor allem das metapolitische Ungleichgewicht, wodurch die politische Debatte zu einem unfairen Spiel wird, in dem der Schiedsrichter – die Medien – nicht nur nicht unparteiisch ist, sondern selbst mitspielt. Folge: Wird man gefoult, erhält man nicht nur keinen Strafstoß, sondern der Gegner erhält ihn und man selbst wird vom Feld verwiesen. So stellt sich die Lage in Deutschland entlang der Achse Rechts-Links, aber auch der Achse Mainstream-Alternative dar. Und auch wenn Linke sich gegen den Vorwurf wehren, weil sie ihn selbst gerne auf den Gegner anwenden, trifft er auf sie am meisten zu: Angst ist das Mittel, mit dem sie ihre Mitstreiter in der vermeintlichen Mitte geißeln und vor sich hertreiben, und mit dem sie die Opposition aus dem Diskurs ausschließen. Mit der „Rassismuskeule“ erzeugen sie auf der rechten Seite einen gesellschaftlichen Abgrund, der finanziellen, als auch sozialen Tod bedeutet. Soziale Erpressung und Projektion sind in diesem Kontext wesentliche Merkmale moderner linker Politik. Der Fall des thüringischen Kurzzeitministerpräsidenten Thomas Kemmerich oder der Hans-Georg Maaßens haben das eindrucksvoll dargelegt.

Was macht die politische Rechte in dieser Lage falsch?

Khan: Der erste richtige Schritt war, sich als solche zu bekennen und endlich aus der Defensive à la „Ich bin ja nicht rechts, aber …“ zu treten. Damit hat man metapolitischen Raum zurückerkämpft, der nun zu gestalten ist. Eben hier verfällt die Rechte aber – in ihrer parlamentarischen Ausgestaltung die AfD – in den Glauben, das wäre ein Selbstläufer. Wie jemand, der meint, der Kampf sei schon geschlagen, man könne sich nun zurücklehnen, verkennt sie, daß der Kampf ein Marathon ist, der eben erst begonnen hat. Folge ist nicht nur ein ambitionsloses Voranschreiten, sondern vor allem mangelnde Selbstdisziplin. Die äußert sich in der Häufung medialer Fehltritte, welche zu Recht extern wie intern kritisiert werden. Aber auch darin, eine vom Mainstream provozierte Spaltung zuzulassen. Wichtig ist, daß man sich nicht in den Abgrund ziehen läßt, den der Gegner einem stetig vor Augen hält. Dazu gehören ein tiefes Selbstbewußtsein im Sinne des Wortes sowie eine weitsichtige Einschätzung des langfristig Realisierbaren.






Feroz Khan, der Influencer betreibt den Youtube-Kanal „achse:ostwest“ und studierte in Dresden Ingenieurwesen für Bahnsysteme mit Master-Abschluß. Geboren wurde er 1990 in Frankfurt am Main, nachdem seine Eltern, Angehörige der Ahmadiyya – eine in Pakistan immer wieder verfolgte, gemäßigt-islamische Minderheit – nach Deutschland geflohen waren. 

Foto: Youtuber Khan: „Ich liefere handfeste Informationen, Daten und Argumente, mit denen meine Zuschauer in Diskussionen die Gegenseite herausfordern und auch widerlegen können“