© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt
Rundfunk Berlin-Brandenburg: Der Sender verschiebt eine Dokumentation über den „Fall Hubertus Knabe“ – bis nach der Wahl
Christian Vollradt

Daß Fernsehsender einen angekündigten Beitrag kurzfristig verschieben, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Häufig hat sich ein aktuelles Ereignis dazwischengeschoben, das im Programm berücksichtigt werden muß. Doch die Entscheidung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), am vergangenen Mittwochabend nicht wie geplant die Dokumentation „Sondervorgang MeeToo“ von Maurice Philip Remy zu zeigen, ist ein Politikum. Denn Remys Film handelt von den Umständen, die zur Entlassung des Gründungsdirektors und langjährigen Leiters der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, führten (JF 35/21).

Die waren vergangene Woche auch noch einmal Thema im Berliner Abgeordnetenhaus. Dort debattierten die Mitglieder im Plenum über den knapp 380seitigen Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses dazu. Während man sich in der rot-rot-grünen Koalition bestätigt sieht, Knabe habe wegen eigenen Organisationsverschuldens gehen müssen und weil er den Vorwürfen, sein Stellvertreter habe Volontärinnen belästigt, nicht entschieden genug nachgegangen sei. Die Opposition dagegen ist weiterhin überzeugt, der damalige Gedenkstätten-Chef, der sich und sein Haus nicht nur der historischen Aufarbeitung, sondern auch der Prävention gegen Linksextremismus verschrieben hatte, sei aus politischen Gründen mittels einer Intrige seines Vorgesetzten, des Kultursenators Klaus Lederer (Linke), gefeuert worden. 

Sender bestreitet eine politische Einflußnahme 

In einer knappen Pressemitteilung begründete der RBB, warum man die Ausstrahlung auf Ende Oktober – und damit nach der Berlin- und der Bundestagswahl – verschoben hat. Filmautor Remy habe sich „vor Auftragsvergabe aktiv bei Facebook an der Diskussion“ über den Fall beteiligt, „etwa indem er einen Spendenaufruf für die Gerichtskosten von Knabe geteilt hat“. Man halte es „für unabdingbar, daß auch dieses Engagement im Film transparent wird“. Warum dafür nicht ein Hinweis im Vor- oder Abspann der Sendung genügt hätte, bleibt offen. 

Berichten zufolge wurde der Sender über Remys Facebook-Post, der nicht öffentlich einsehbar war, mit einer E-Mail informiert. Daß der RBB in der ganzen Affäre mehr war als ein bloßer journalistischer Zaungast, ist kein Geheimnis. Zwei Investigativ-Reporter des Senders halten sich zugute, mit ihren Recherchen Knabe zu Fall gebracht zu haben. Daß sie ihn im September 2018 mit einem 27 Punkte umfassenden detaillierten Fragenkatalog konfrontieren konnten, ließ nach Ansicht von Kennern der Materie darauf schließen, daß der Sender aus der Gedenkstätte selbst mit reichlich Insider-Informationen versorgt und entsprechend gebrieft worden war. Doch die engen Beziehungen gehen buchstäblich noch weiter. So ist ein leitender Mitarbeiter der Gedenkstätte, der früher einmal beim RBB arbeitete und seine Führungsposition in Hohenschönhausen nach Knabes Sturz erhielt, mit einem in der Pressestelle des Senders Beschäftigten liiert. 

Abgeordnetenhausmitglied Stefan Förster (FDP) sagte am vergangenen Donnerstag im Plenum, er habe „verläßliche Informationen“, daß Kultursenator Klaus Lederer die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger wegen des Knabe-Films angerufen habe. Mit dieser Aussage im Kulturausschuß konfrontiert, widersprach Lederer: Es habe keine solchen Kontakte gegeben, weder von ihm selbst noch aus seinem Haus. Remys frühere Äußerungen bei Facebook seien ihm nicht bekannt gewesen. Auch der RBB wies den Vorwurf einer politischen Einflußnahme zurück.

Daß die Sender-Verantwortlichen jedoch mit der Verschiebung der Dokumentation genau diesen Verdacht befeuerten, verhilft dem Film über Knabes Sturz möglicherweise zu der Aufmerksamkeit, die sein Fall verdient.