© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Eingeflogen trotz Einreisesperre
Evakuierungen aus Afghanistan: Nur scheibchenweise kommt ans Licht, wer außer den wenigen Ortskräften nach Deutschland gelangte
Felix Krautkrämer

War es für Kriminelle ein leichtes, im Chaos am Flughafen von Kabul einen Platz in einem Flugzeug der Bundeswehr zu ergattern? Zahlen und Daten der Bundesregierung, die nun zwei Wochen nach den dramatischen Ereignissen vorliegen, lassen darauf schließen, daß sich wenige einreiseberechtigte Ortskräfte an Bord der Luftwaffenmaschinen befanden, dafür aber auch Vergewaltiger, Gewalttäter und Drogendealer. 

Der Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm (AfD) hatte bereits Ende August versucht, Licht ins statistische Dunkel zu bringen und die Bundesregierung gefragt, wie viele nach Deutschland geholte Afghanen zuvor bereits einmal abgeschoben worden waren, gegen wie viele von ihnen eine Einreisesperre bestand, wie viele von ihnen bereits in der Vergangenheit polizeilich in Erscheinung getreten waren und wer von ihnen möglicherweise von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestuft werde.  

Anfang der Woche bekam der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende die Antwort vom Staatssekretär im Bundestinnenministerium, Hans-Georg Engelke. Mit Stand vom 1. September sind drei afghanische Staatsangehörige registriert worden, gegen die ein Einreise- und Aufenthaltsverbot bestand. Vier weitere Personen seien darüber hinaus bereits zuvor aus Deutschland abgeschoben worden. Zudem seien zehn Personen im Informationssystem der Polizei erfaßt gewesen. Keiner von ihnen werde jedoch als „Gefährder“ eingestuft, heißt es in dem Schreiben, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Engelkes Chef, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), präsentierte noch höhere Zahlen. So seien 20 Fälle bekannt, „die sicherheitsrelevant sind“ und die sich jetzt in Deutschland aufhielten, weil sie nicht in Kabul überprüft wurden, erläuterte Seehofer im „Münchner Presseclub“. Unter ihnen seien auch ein Vergewaltiger sowie ein Kinderschänder, berichtete am Wochenende dann die Bild-Zeitung. Doch Seehofer hatte noch mehr Informationen. Unter den während der Evakuierungsaktion Eingeflogenen befände sich zudem ein Mann, „der nach übereinstimmender Ansicht von Deutschland, Amerika und Großbritannien noch höher einzustufen ist“, zitierte die Nachrichtenagentur dpa den Minister. Laut Informationen der Agentur sind außerdem mehrere Personen ins Land geholt worden, „deren Namen schon im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern aufgetaucht waren“. 

Für Holm sind diese Widersprüche die Neuauflage der „Merkelschen Salamitaktik“: Damit setze sich „das Chaos während des Rückzugs aus Afghanistan nahtlos bei der Frage fort“, wer eigentlich nach Deutschland gekommen sei, sagte er der JF. „Das Innenministerium antwortet mir, daß kein Gefährder nach Deutschland eingeflogen sei, während Innenminister Seehofer von mindestens einem Gefährder spricht“, ärgert sich der Abgeordnete.

Unterdessen wurde am Dienstag bekannt, daß sich mehrere Dutzend von den Amerikanern evakuierte Afghanen auf eigene Faust nach Deutschland abgesetzt haben. Wie die Welt mit Verweis auf Sicherheitskreise berichtet, hätten sie die amerikanischen Militärstützpunkte in Deutschland, auf denen sie übergangsweise untergebracht worden waren, verlassen, um bei deutschen Behörden Asyl zu beantragen. Am Montag berichtete Außenminister Heiko Maas (SPD) im Auswärtigen Ausschuß des Bundestags Teilnehmern zufolge, daß sich noch 500 Personen aus Deutschland – zumeist afghanischstämmige Deutsche oder Afghanen mit einem deutschen Aufenthaltstitel – im Land am Hindukusch befinden sollen. 

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