© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Beton-Boom an der Spree
Paul Rosen

Die Neubauvorhaben des Bundestages nehmen immer größere Ausmaße an. Derzeit stehen neue Abgeordnetenbüros in Modulbauweise gerade vor der Vollendung. Die Planungen für die Verlängerung des sogenannten „Bandes der Demokratie“ sind im Prinzip schon fast drei Jahrzehnte alt, stammen somit aus der Zeit unmittelbar nach dem Berlin-Beschluß des Bundestages. 

Das „Band der Demokratie“ beginnt im Tiergarten am westlichen Ufer der Spree mit dem Garten des Kanzleramtes und führt über das Kanzleramt, das Paul-Löbe-Haus und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus wieder zur Spree zurück. Das ursprüngliche Konzept sah eine 1,5 Kilometer lange Verlängerung zu den Stadtbahngleisen in Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße vor. Bei dem Areal handelt es sich um eine der letzten größeren nicht bebauten Flächen in Berlin-Mitte. Daß der Bundestag hier in den vergangenen Jahrzehnten keinen Meter mit seinen Bauten weiterkam, lag am hinhaltenden Widerstand der Gewerkschaft Verdi, die im sogenannten Luisenblock ein Gebäude besitzt und dieses nicht hergeben wollte. Inzwischen wurde unter Vermittlung des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP) eine Lösung gefunden. Die Gewerkschaft bekommt auf dem Areal Platz für einen Neubau. Vom bisherigen Gebäude bleibt die Fassade erhalten und wird in die Bundestags-Neubauten integriert, wie dies ähnlich beim Neubau des Jakob-Kaiser-Hauses praktiziert worden war. Die historischen Bauten auf dem Gelände, die frühere Zentralstation der „Berliner Electrizitätswerke“ mit einem Kessel- und Maschinenhaus sowie das Gebäude des ehemaligen Kaiserlichen Patentamts sollen erhalten bleiben.

Zudem sollen in den Erdgeschossen der Häuser des Bundestages Geschäfte, Kleinbetriebe und Restaurants einziehen, damit kein Büroghetto entsteht. Frühere Schätzungen sahen für den Bau von über 100.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche des Parlaments 142 Millionen Euro Kosten vor. Die Summe wird allerdings heute als unrealistisch angesehen. Viel Geld dürfte auch die Errichtung eines Ausweichquartiers für das Bundespräsidialamt von Frank-Walter Steinmeier kosten. Der bisherige Amtssitz des Präsidenten, das Schloß Bellevue, ist sanierungsbedüftig, und daher muß ab 2025 eine „Ausweichliegenschaft“ her, wie es im Beamtendeutsch so schön heißt. Die kommt den Steuerzahler mit Baukosten in Höhe von 137 Millionen Euro ziemlich teuer zu stehen. Immerhin verspricht das Präsidialamt, daß das im Stadtteil Moabit geplante Ausweichquartier nach Rückkehr des Präsidialamts ins Schloß Bellevue von einer anderen Bundesbehörde genutzt werden soll. 

Kritik an der staatlichen Bauwut kommt von der Linken-Abgeordneten Gesine Lötzsch: „Allein die Schulen haben in unserem Land einen Sanierungsbedarf von 50 Milliarden Euro. Was tut die Bundesregierung? Sie baut ein zweites Kanzleramt, ein zweites Finanzministerium und errichtet für 137 Millionen Euro ein Ausweichquartier für das Bundespräsidialamt.“