© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Anonymes Hinweissystem der Steuerverwaltung Baden-Württemberg
Grün-schwarze Denunzianten
Ronald Gläser

Die US-Steuerbehörde IRS versteht keinen Spaß und verfolgt amerikanische Staatsbürger bis ins Ausland. Und wer große Steuersünder anschwärzt, erhält nach deren Verurteilung einen Teil der fetten Strafzahlung. Anonyme Fingerzeige oder die Denunziation des ungeliebten Nachbarn mögen die vielbeschäftigten IRS-Ermittler jedoch gar nicht. Das neue „Anonyme Hinweisgebersystem der Steuerverwaltung Baden-Württemberg“ könnte hingegen die dortigen Beamten mit viel Arbeit versorgen. Blicke in Internetforen und auf die Seiten von Steuerberatern, die Tips geben, wie die optimale Steueranzeige auszusehen hat, sprechen eine deutliche Sprache.

Von der Aussage „Konzerne wie Amazon zahlen gar keine Steuern“ zu „Mein Nachbar auch nicht“ ist es nicht weit. Wer hat einen Hund oder eine Ferienwohnung, die nicht „angemeldet“ ist? Wer verdient sich „auf die Hand“ etwas dazu? Neid und Mißgunst sind weit verbreitet. Insofern könnte die Oberfinanzdirektion Karlsruhe, die nun ein anonymes Denunziationsportal gestartet hat, auf dem Bürger Verstöße gegen die Steuergesetze melden können, im Trend liegen. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock will die Idee aus dem Ländle sogar auf Bundesebene einführen und befeuerte damit die Diskussion. Zwei Dinge überraschen: Zum einen kommt die neue Meldeplattform aus einem grün-schwarz regierten Bundesland – nicht aus einem roten oder dunkelroten. Im Südwesten scheinen die „braven Bürger“ eine Koalition mit jenen eingegangen zu sein, die heimlich prüfen, ob die Nachbarn auch den Müll ordentlich sortieren. Zum anderen überrascht der Widerstand, der sich bemerkbar macht – bis in die Reihen von CDU und SPD. Noch nicht einmal Finanzminister Olaf Scholz ist begeistert von der Idee.

FDP und Bild legen wahlkampfbedingt noch eine Schippe drauf und prangern die neue „Steuer-Stasi“ an. Die Gelegenheit ist günstig. Die Frage ist, ob das Thema nach der Wahl schnell abgeräumt wird? Die beste Waffe gegen Steuerhinterziehung ist eine solide Haushaltsführung: Die Akzeptanz für das Finanzamt steigt, je einfacher und niedriger die Steuern sind – und wenn der Staat nicht das anvertraute Geld verplempert. Tut er es doch, muß er sich über mißtrauische Bürger nicht wundern. Dann helfen auch keine anonymen Eingabemasken.