© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Auf dem Holzweg
Deutsche Bauwirtschaft: Seit Monaten leidet die Branche unter Knappheit an Baumaterialien
Liz Roth

Kein anderes Thema beschäftigt die Bauwirtschaft momentan mehr als die Knappheit der Baumaterialien. Die Lieferengpässe lassen die Preise in Rekordhöhe steigen. In den Lagern der Baustoffhändler und Baumärkte herrscht seit vielen Monaten immer wieder Leere, und der Beschaffungsdruck steigt. „Die Lage ist momentan katastrophal, und es wird immer schlimmer“, berichtet ein leitender Mitarbeiter eines Holzhandels im Ruhrgebiet und erklärt, daß es die Branche besonders hart getroffen habe. 

Als Hauptgrund nennt er die steigende Nachfrage im In- und Ausland während der Corona-Pandemie. „Das meiste Holz hier aus Deutschland geht momentan ins Ausland, da dort mehr gezahlt wird“, erklärt der Händler. Die boomenden Exportmärkte zeigen eine überdurchschnittlich hohe Nachfrage. Insbesondere die USA, aber auch China importieren aufgrund einer guten Baukonjunktur große Mengen Holz aus Deutschland. 

Die Hersteller können ihre Produktion offenbar nicht so schnell wieder hochfahren, so daß es zu Lieferengpässen kommt und sie auf dem Weltmarkt einkaufen. So haben etwa die Exporte von Nadelschnittholz aus Deutschland in die USA im Vergleich zum Vorjahr um 42 Prozent zugenommen. Deutschland ist damit für die USA neben Kanada der wichtigste Lieferant für Nadelschnittholz. Der Export von deutschem Bauholz nach China hat sich in einem Jahr mehr als verdoppelt. 

Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zufolge sind die Exporte von Rohholz im Jahr 2020 um 42,6 Prozent gestiegen. Gut die Hälfte (50,6 Prozent) der insgesamt ausgeführten 12,7 Millionen Kubikmeter gingen nach China. Pekings Anteil nimmt seit 2015 deutlich zu – damals lag er laut Destatis noch bei 10,1 Prozent. Auf den Plätzen zwei und drei folgten im Jahr 2020 Österreich (19,2 Prozent/2,4 Millionen Kubikmeter) und Belgien (9,2 Prozent/1,2 Millionen Kubikmeter).

Der wachsenden Nachfrage im Ausland steht ein Rekord beim Holzeinschlag im Inland gegenüber: Im Jahr 2020 wurden nach Angaben von Destatis in den deutschen Wäldern 80,4 Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen – „so viel wie nie zuvor seit der deutschen Vereinigung“. Grund dafür seien vermehrte Waldschäden infolge des auch durch Trockenheit und Hitze begünstigten Insektenbefalls: So machte der Schadholzeinschlag aufgrund von Insektenschäden mehr als die Hälfte (53,8 Prozent) des gesamten Holzeinschlags im Jahr 2020 aus.

Eine leichte Beruhigung der Märkte in Sicht  

Aber auch in Deutschland wird weiterhin viel gebaut, und es gibt eine anhaltend starke Nachfrage der Bauwirtschaft. Somit verteuerten sich hierzulande Zimmer- und Holzbauarbeiten überdurchschnittlich, und laut Statistischem Bundesamt lagen hier die Preise im Mai 2021 um 28,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Besonders hohe Preissprünge gab es bei Konstruktionsvollholz, das sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 83,3 Prozent verteuerte. Die Preise für Dachlatten stiegen um 45,7 Prozent und Bauholz um 38,4 Prozent. Betonstahl in Stäben kostete im Mai 2021 44,3 Prozent und Betonstahlmatten 30,4 Prozent mehr. 

Obendrein erhöhen Probleme in der Rohstoffversorgung die Kosten, zum Beispiel bei Dämmstoffen und anderen Produkten auf Erdölbasis. So spielen Erdölpreise eine wichtige Rolle für die Kosten am Bau. Bitumen verteuerte sich im Mai 2021 um 63,9 Prozent gegenüber Mai 2020. Dämmplatten aus Polystyrol lagen um 19,9 Prozent höher. Auch für Halbzeuge aus Kupfer und Kupferlegierungen, die wichtig für Elektroinstallationen sind, meldet das Statistische Bundesamt gestiegene Erzeugerpreise. 

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes nennt ebenfalls die Corona-Pandemie als den wichtigsten Grund für die Entwicklung der Preise. Allerdings sieht er den Einbruch der Nachfrage im ersten Halbjahr 2020 und das darauffolgende weltweite Herunterfahren von Produktionskapazitäten als einen der größten Faktoren für den momentanen Zustand in der Bauwirtschaft. 

Besonders durch die Wandlung der Konjunktur in China im Sommer 2020 ist die Nachfrage erheblich schneller gestiegen, als die Kapazitäten bei der Produktion hochgefahren werden konnten. Die Wetterbedingungen und der kalte Winter sollen die Produktion der Rohstoffe ebenfalls behindert haben. Und auch die durch Hygiene-Regeln eingetroffenen Umstrukturierungen in den Produktionsstätten spielen eine Rolle in der Menge des Ertrages. 

Jedoch beruhigte sich der Markt ein wenig über den Sommer, und die Preise stiegen nur minimal weiter an. Der Materialengpaß auf dem Bau hat sich ebenfalls geringfügig abgemildert. Das geht aus den Umfragen des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) hervor. „Dennoch bleiben viele Materialien knapp und damit teuer. Es fehlt an Stahl, synthetischen Dämmaterialien und anderen Kunststoffprodukten“, sagt Ifo-Forscher Felix Leiss. „Im Juli meldeten 48,8 Prozent der Betriebe auf dem Hochbau, ihre Geschäfte hätten unter Lieferverzögerungen bei Vorprodukten gelitten. Im Juni waren es 50,4 Prozent. Im Tiefbau waren 33,9 Prozent der Betriebe betroffen, nach 40,5 Prozent im Vormonat. Dadurch steigen die Kosten, und das setzt insbesondere die Hochbauunternehmen unter Druck. Hier plant jedes zweite Unternehmen, die Baupreise in den nächsten Monaten zu erhöhen“, berichtet Leiss. „Wir sehen das auch im Großhandel, wo vielerorts über Lieferprobleme geklagt wird. Beim Holz und bei den Baustoffen meldeten 74,4 Prozent der Händler Engpässe. Bei Metall- und Kunststoffwaren für Bauzwecke sogar 91,6 Prozent. Das treibt die Preise.“

Konkret sind für September weitere Preiserhöhungen angekündigt worden. „Cirka zehn Prozent mehr müssen wir dann für Türen und andere Holzprodukte zahlen“, sagt der Holzhändler. „Wir bestellen schon auf dem Großhandel die dreifache Menge als sonst, aus Angst, daß wir unsere Kunden nicht beliefern können. Alle anderen tun es ebenfalls so wie wir und somit sind die Lieferketten komplett überlastet und wir können froh sein, wenn wir etwas von unserer Bestellung geliefert bekommen.“ 

Dennoch sind die Auftragsbücher der Bauunternehmer voll, insbesondere seit Beginn der Pandemie. „Wir beobachten, daß viele unserer Kunden ihre Häuser jetzt sanieren und auch zukünftige Sanierungsarbeiten vorab erledigen, und zwar aus Angst vor einem zukünftigen, noch größeren Mangel an Baustoffen und einer Entwertung des Geldes durch Inflation“, erklärt eine Bauunternehmerin aus Mülheim an der Ruhr im Gespräch. 

Sie erwähnt ebenfalls, daß niedrige Zinsen und die Fördermittel der Regierung eine Rolle spielen würden. „Wir sind bis Mitte 2022 ausgebucht mit Sanierungen von altem Baubestand. Unser Unternehmen arbeitet momentan über seiner eigentlichen Kapazität.“ Aber auch sie beklagt große Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Baumaterialien. „Ich fahre durch das ganze Ruhrgebiet, um Baustoffe einzukaufen. Noch vor einem Jahr habe ich ohne Probleme alles bei meinem Großhändler bekommen. Der kann mich nun nur noch schwer, mit langen Wartezeiten und oftmals qualitativ minderem Material, beliefern.“ 

Nicht selten platzt der Traum eines Eigenheimes

Sie beobachtet insgesamt einen durchschnittlichen Kostenanstieg für ihr Gewerbe von 20 Prozent in einem Jahr. „Wir haben eigentlich nur fünf bis sieben Baustellen gleichzeitig, aber aufgrund von fehlenden Baustoffen haben wir nun zehn, da sie nicht fertiggestellt werden können.“ 

Kenner der Branche berichten immer wieder darüber, daß Bauunternehmen insbesondere Neubauten von Einfamilienhäusern neu kalkulieren müssen oder den Auftrag aufgrund explodierender Preise absagen müssen. Der Bund Deutscher Baumeister (BDB) warnt bereits vor den Folgen für Bauprojekte. Mancherorts ist laut BDB der Planungsprozeß nicht mehr zuverlässig leitbar, und er fordert eine Regulierung des Holzmarktes, die aber den globalen Baustoffhandel nicht einschränken dürfe. Zur besseren Verfügbarkeit von nachhaltigen Rohstoffen müsse hierzulande für eine ausreichende Vorratshaltung gesorgt werden, so BDB-Präsident Christoph Schild. „Die Politik muß gesetzliche Rahmenbedingungen zur Regulierung der Baustoffkontingente schaffen. Zudem sei zu prüfen, ob bautaugliches Holz in den Wäldern gelagert werden könne.“ 

Für manche Menschen stirbt der Traum vom eigenen Haus in heutiger Zeit. „Wir hatten Mitte 2020 einen Auftrag für ein Einfamilienhaus angenommen, es war alles kalkuliert und fertig geplant, es handelte sich um eine Gesamtsumme von ungefähr 300.000 Euro. Der Baubeginn war fürs Frühjahr 2021 geplant. Wir mußten aufgrund steigender Preise den Auftrag absagen oder wir hätten den Kunden fast 100.000 Euro mehr berechnen müssen, um kein Verlustgeschäft zu machen“, berichtet ein weiterer Bauunternehmer aus Essen. „Die Kunden hätten diese höhere Summer auch nicht von der Bank finanziert bekommen, trotz der niedrigen Zinsen und der großzügigen Kreditvergabe.“ Da er voll ausgelastet ist, ist er froh, daß er einen Auftrag weniger hat, denn sein Fokus liegt nun auf Aufträgen der Stadt und des Landes Nordrhein-Westfalen. „Alles, was mit öffentlichen Geldern gebaut wird, geht problemlos weiter und ist für uns am einfachsten auszuführen, da kein Finanzierungsdruck gegeben ist.“ 

Das Baugeschäft floriert während der Pandemie – trotz aller Herausforderungen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Branche einen Rekordumsatz von 98,3 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von 6,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Ermittelt wurden die Zahlen durch eine Umfrage unter 9.100 Betrieben mit je mindestens 20 Beschäftigten. 

Auch bei der Beschäftigtenzahl gab es einen Zuwachs. Durchschnittlich waren bei den Baubetrieben im Jahr 2020 505.000 Personen beschäftigt, ein Plus von rund 18.000 Stellen gegenüber dem Vorjahr. Eine Trendwende ist auch in diesem Jahr nicht sichtbar, trotz steigender Kosten. Mitte August teilte Destatis mit, daß in dem Zeitraum von Januar bis Juni 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum 7,7 Prozent mehr Baugenehmigungen erteilt wurden.

Foto: Der Export deutscher Hölzer verdirbt die Preise: Gut die Hälfte (50,6 Prozent) der insgesamt ausgeführten 12,7 Millionen Kubikmeter Holz gehen nach China