© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Filmkritik Brutale Schatten
Auftragsmörder unter sich
Werner Olles

Der französische Berufsmörder Lucien (Jean-Louis Trintignant) erhält von einer Pariser Gangsterclique den Auftrag, in Los Angeles einen korsischen Mafia-Boß zu töten. Lucien arbeitet mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks, bereits wenige Stunden nach seiner Ankunft in L.A. hat er seine Mission erledigt, während sich im Swimmingpool die attraktive Frau (Angie Dickinson) seines Opfers amüsiert.

Doch dann wird Lucien selbst zum Gejagten. Der skrupellose Mafiakiller Lenny (Roy Scheider) soll ihn beseitigen, Lucien kann jedoch rechtzeitig in der fremden Stadt untertauchen. Er kontaktiert seine Pariser Auftraggeber und bekommt von diesen eine Adresse, bei der er Hilfe erhält. Die entpuppt sich als eine ebenso gerissene wie hübsche, junge Frau namens Nancy (Ann-Margret), die gute Beziehungen hat, ihm einen Unterschlupf und einen falschen Paß beschafft. Dabei gerät sie selbst in große Gefahr, und Lucien schafft es nicht aus Los Angeles herauszukommen. Schließlich kann er aber Lenny eine Falle stellen und ihn unschädlich machen.

Als ein Freund (Michel Constantin) aus Paris kommt, um die feindliche Clique auszuheben, kommt es in einem Beerdigungsinstitut zu einem Schußwechsel. Zwar schafft Lucien es, schwerverletzt vor der Polizei zu fliehen, doch Nancy, die am Flughafen auf ihn wartet, erreicht er nicht mehr lebend …

Jacques Derays kühl inszenierter Gangsterfilm „Brutale Schatten“ („Un homme est mort“, 1972) um einen Auftragskiller, der sein Einzelgängertum gegen den Druck einer organisierten Mafia-Bande behauptet, ist vor allem darstellerisch beachtlich. Besonders Jean-Louis Trintignant als Lucien, der als individualistischer Außenseiter im hierarchisch strukturierten kriminellen Milieu letztlich an seiner Mission scheitert, spielt seine Rolle überzeugend, und die Schlußsequenz mit ihm ist einfach überwältigend.

„Brutale Schatten“ ist ein ungewöhnlicher Spielfilm, der jedoch an der überbordenden Fülle seiner Drehbucheinfälle leidet. Zudem verstören einige Brutalitäten ebenso wie die spröde Bildsprache, die ein Weltbild zwischen Fatalismus und Nihilismus vermittelt. Um realistische Milieuschilderung bemüht, wirkt der ästhetisierende Gestaltungswille Derays der Aussage des ambitionierten Films bisweilen entgegen. Das Glanzlicht ist neben der Musik von Michel Legrand die beeindruckende Interpretation der männlichen Hauptrolle.

DVD: Brutale Schatten. Pidax Film-Klassiker 2021, Laufzeit etwa 105 Minuten