© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Blick in die Medien
Das Lesen der anderen
Tobias Dahlbrügge

Wer sich stets nur in seiner eigenen Meinungsblase bewegt und nur Medien konsumiert, die seine eigene Meinung verstärken, entfernt sich von der Realität.

Zwei erzlinke Journalisten wollten diese küchenpsychologische Binsenweisheit mit einem Selbstversuch belegen. Der eine Hans Demmel (früher Geschäftsführer bei n-tv), der andere: Friedrich Küppersbusch (früher „Zakk“, jetzt unter anderem taz).

Sechs Monate informierte sich Demmel über das Tagesgeschehen ausschließlich bei Tichys Einblick, MMNews, KenFM, Compact und der JUNGEN FREIHEIT. Seine Erfahrung vermarktet das Duo nun als Buch. Podcast und Live-Lesungen sorgen für den nötigen PR-Rummel. Das Ergebnis war vorhersehbar: In der rechten „Anderswelt“ (so der Buchtitel) regieren „Haß & Hetze“, Fake-News und Verschwörungserzählungen.

Rechten „normale“ Medien gegenüberzustellen, bedeutet nicht zu begreifen, daß es nicht-linke Menschen gibt.

Demmels Motivation, so berichtet er im Interview mit der Welt, sei gewesen, daß er den Vorwurf der „Lügenpresse“ persönlich genommen habe, denn er selbst habe in 40 Jahren journalistischer Arbeit nie gelogen. Ehrenwort! Vorbild für das Buch war die Studie eines skandinavischen Forschers, der sich vier Wochen ausschließlich über soziale Medien informierte.

Schon, daß Demmel den „rechten Medien“ eine „normale Medienwelt“ gegenüberstellt, zeigt, daß er nicht imstande ist zu begreifen, daß es Menschen gibt, die linken Axiomen nicht folgen. Den fünf ausgewählten Medien (nebenbei: Die Auswahl hätte besser sein können) wirft er vor, „an den Grundfesten des Staates (zu) sägen“. Daß in rechten Publikationen eher die Dysfunktionalität des Staates kritisiert wird, versteht der Autor nicht, denn nicht funktionierende staatliche Organe kennt Demmel nicht.

Immerhin gibt er zu, in Zeiten von Corona sei es schwer, für alle Maßnahmen-Kritiker „den Begriff ‘rechts’ aufrechtzuerhalten“. Darob sei sein „Weltbild mehrfach ins Wanken gekommen“. Na Glückwunsch, das kann ja schon ein Anfang sein. Und jetzt, im Sinne der Ausgewogenheit, bitte noch einen Bericht darüber, was passiert, wenn man ausschließlich SZ, taz, Zeit und Spiegel konsumiert.