© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/21 / 10. September 2021

Kabinenklatsch
Die Lage könnte schlechter sein
Ronald Berthold

Wir haben uns angewöhnt zu meckern, wenn es um die Fußball-Nationalelf geht. Das miserable Abschneiden bei WM und EM, der Kunstname „Die Mannschaft“, die ständigen politischen Botschaften und dann die unansehnlichen Kicks.

Irgendwie mag das keiner mehr hören und sehen. Selbst beim Debüt des neuen Bundestrainers schalteten nur etwas mehr als sechs Millionen ein. Und die langweilten sich gegen Liechtenstein zu Tode. Hört das denn nie auf? Will unser einst liebstes Kind denn gar keinen Spaß mehr machen? 

Am Sonntag gegen Armenien stimmten dann endlich wieder Einsatz und Spielfreude. Vielleicht ein neuer Anfang? Viel zu früh, um das zu sagen. Zumal Deutschland wirklich nicht in einer Hammergruppe spielt und alle Gegner zu den Fußballzwergen gehören. Ein Lichtblick war es aber allemal. Und auch den immer noch führungslosen, chaotisch daherkommenden Verband muß ich heute mal loben. Daß der DFB fast alle 18.000 Eintrittskarten verschenkte, ist eine schöne Geste.

Es sollte ein Dankeschön an die Fans sein, die anderthalb Jahre bei Heimspielen ausgeschlossen blieben: Ein Neuanfang nach Corona – auch wenn ich mir immer noch volle Stadien wünsche. Daß es aber viel schlimmer geht, zeigt der Blick nach Brasilien. Völlig überdrehte und zum Teil mit zwei Masken vermummte Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde stürmten den Rasen, um den Klassiker gegen Argentinien abzubrechen. Begründung: Vier England-Legionäre der Gauchos hätten in Quarantäne gehört, weil sie angeblich aus einem Risikogebiet kommen. Wenn selbst die südamerikanische Lebensfreude von der Virus-Hysterie getötet wird, muß man über die hiesigen Zustände ja schon fast dankbar sein.