© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Wahlkampf-Endspurt
Kein Mut zu echtem Konflikt
Dieter Stein

Wer die „Triells“ zwischen den Kanzlerkandidaten und die jüngsten „Vierkämpfe“ der kleineren Parteien im Bundestag gesehen hat, erlebte, wie wesentliche Themen überhaupt nicht stattfanden. Zwar wurde teilweise das Desaster des überstürzten Rückzugs aus Afghanistan gestreift, das zentrale Thema der seit 2015 nicht gelösten illegalen Masseneinwanderung nach Deutschland aber wurde ausgeblendet. Dabei ist die nicht bewältigte Grenzöffnung durch Merkel Hauptursache für den Abstieg der Unionsparteien und die dauerhafte Etablierung der AfD.

Kaum eine Rolle spielte Innere Sicherheit, die Erosion öffentlicher Ordnung, die Demoralisierung von Polizisten und Soldaten durch Mißtrauen und fehlende politische Rückendeckung. Das Versagen von Olaf Scholz während der linksextremen Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg wäre schlagartig in den Fokus gerückt.
Der Tugendterror, die Einschränkung der Meinungsfreiheit gehörte frontal angegriffen.

Letztlich hätte dieses Unterdrücken unbequemer Fragen im öffentlichen Diskurs selbst ein zentrales Thema sein müssen: Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch „Cancel Culture“ und „Wokeness“, insbesondere an den Hochschulen, der Ungeist von Gängelung, Zensur, Gesinnungsterror, der mit Genderwahn, Diversity-Zwang und „Critical Whiteness“ die Freiheit erstickt.
Welche irrwitzigen Züge der politisch-korrekte Säuberungswahn inzwischen annimmt, zeigen zwei jüngste Beispiele: Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben jetzt die Bezeichnung von 143 historischen Kunstwerken geändert, bei denen Begriffe wie „Knabe“, „Zwerg“, „Schwarz“ oder „Zigeuner“ auftauchen. Ein englisches Orchester hat soeben 14 weiße Musiker entlassen, um ein vollständig „diverses“ nicht-weißes Ensemble vorweisen zu können.

Dieser Tugendterror, die Einschränkung der Meinungsfreiheit, die Dominanz linker Journalisten und ihrer Agenda in öffentlich-rechtlichen und etablierten Medien gehörte frontal angegriffen. Doch schon dazu fehlt CDU/CSU und FDP jeder Mut. Statt dessen grüßte Söder den regenbogenfarbenen Geßlerhut und weigert sich Laschet, sich vor den CDU-Kandidaten Hans-Georg Maaßen zu stellen. Daß die CDU auf den letzten Metern plötzlich zaghaft ein Verbot des Gendersprechs an Schulen fordert, nimmt niemand ernst. Der Vorstoß verpufft, weil es grundsätzlich am Mut zu einer demonstrativen Aufnahme eines systematischen Kulturkampfs mit der Linken fehlt. Dieser Kampf müßte jedoch bereits in der eigenen Partei beginnen. Stattdessen bleibt es bei der Fortschreibung der lediglich zeitlich verzögerten Kapitulation vor dem Zeitgeist. In diese Lücke werden andere stoßen.