© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Mehr rot als grün
Internationale Automobilausstellung: Linksradikale protestieren
Hinrich Rohbohm

Sie sind gekommen, um die Internationale Automobilausstellung (IAA) in München zu „zerschlagen.“ Bis zu 50.000 Protestler hatten die Organisatoren rund um das ökoradikale Bündnis „Sand im Getriebe“, Fridays for Future und Attac erwartet. Ihr Plan: die Zugänge zur Ausstellung blockieren. So wie es ihnen bereits vor zwei Jahren in Frankfurt teilweise gelungen war.
Inzwischen nennt sich die Messe IAA Mobility, setzt Schwerpunkte bei umweltfreundlichen Antrieben und empfängt ihre Besucher schon in der Eingangshalle mit Fahrrädern anstatt mit Autos. Mit dem neuen Standort München haben sich auch die Sicherheitsvorkehrungen geändert. 4.500 Polizisten schützten am vergangenen Wochenende Stadt und Ausstellung. Es ist Münchens größter Polizeieinsatz seit 20 Jahren. Die im Vorfeld befürchteten Ausschreitungen durch zahlreiche linksextreme Gewalttäter blieben aus. Die Szene konnte bei weitem nicht die erhofften 50.000 Teilnehmer mobilisieren. Gerade einmal halb so viele sind zur Hauptdemonstration gekommen, die Mehrzahl zur Fahrrad-Sternfahrt in der Innenstadt.
Bereits Tage zuvor findet sich der harte Kern der ökoradikalen IAA-Gegner auf der Münchner Theresienwiese ein, übt in Aktionstrainings Blockaden und das „Umfließen“ von Polizeiabsperrungen. Angereist auch mit Autos, davon viele aus Berlin. Wie verloren wirken die knapp hundert Zelte des sogenannten Klimacamps auf der riesigen Theresienwiese. Dort, wo sonst um diese Zeit normalerweise die großen Zelte des Oktoberfestes stehen. Rund um das Camp ist ein Bauzaun gezogen. Zugang ist nur nach Anmeldung und 3G-Nachweis möglich. Einsatzwagen der Polizei stehen rundherum verteilt. Immer wieder patrouillieren Einsatzkräfte entlang des Bauzaunes, an dem vielsagende Plakate der linksextremen Roten Hilfe sowie Spendenaufrufe für die Angeklagten der G20-Krawalle in Hamburg hängen. Als die Protestler versuchen, eine Absperrung der Polizei zu durchbrechen, werden sie mit Pfefferspray und Einsatzstöcken zurückgedrängt.

Auch die für Freitag angekündigten Blockade-Aktionen scheitern weitestgehend. Lediglich am Odeonsplatz erreichen Blockierer eine kurzzeitige Schließung des dortigen Mercedes-Pavillons. Einigen Linksradikalen gelingt es, ein Haus in der Karlstraße für etwa eine Stunde zu besetzen und Rauchbomben zu zünden, als der harte Kern der Protestler mit etwa 1.500 Teilnehmern einen ersten Demonstrationszug durch Münchens Innenstadt unternimmt. Die Blockade am Odeonsplatz wird schnell aufgelöst, die Hausbesetzer festgenommen.

Entsprechend bescheiden kommen die „Erfolgsmeldungen“ aus dem Lautsprecherwagen der Messestörer. „Wir haben unser Ziel erreicht, ein Haus wurde besetzt“, ruft der Sprecher dort ins Mikrofon. Jubel brandet unter den Protestlern auf. Als wäre gerade die Messe abgesagt worden. Von deren Blockade ist da schon kaum noch mehr die Rede.

„Es mag nicht ganz legal sein, was ihr macht“

Dafür übt die Landtagsfraktion der bayerischen Grünen um so heftiger Kritik am Polizeieinsatz. Die Staatsregierung habe München zum Hochsicherheitsgebiet gemacht, ärgert sich ihr Fraktionsvorsitzender Florian Siekmann, der die umfangreichen Polizeikontrollen als „schikanös“ bezeichnete. Am Samstag, dem Haupttag der Demonstration, liefen Mitglieder seiner Partei Seite an Seite mit Protestlern aus der Linkspartei, erklären sich solidarisch mit dem Aktionsbündnis, zu dem mit MLPD, DKP, FDJ und der Interventionistischen Linken diverse Organisationen des linksextremen Spektrums gehören.

Ebenfalls als Redner mit dabei: Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz. „Ein ganz großer Dank an jene, die mich tief beeindruckt haben: die Leute von Sand im Getriebe. Es mag nicht ganz legal sein, was ihr macht, aber es verdient unsere Solidarität“ und sei „legitim“, ruft er den Demonstranten zu. Die haben sich mit ihren Fahnen und Plakaten zum Protestzug durch die Stadt formiert, skandieren „Communism for Future“, während sich die Grünen zwischen Linkspartei und FDJ freudig in den Protestzug einreihen.

Mit auf der Theresienwiese dabei sind übrigens auch die Münchner Grünen-Chefs Anna Hanusch und Florian Roth. Beide hatten seinerzeit im Stadtrat für die Ausrichtung der IAA in München gestimmt. Und auch die Münchner Grünen-Bürgermeisterin Katrin Habenschaden kann offenbar dem Spruch „links reden, rechts leben“ einiges abgewinnen, als sie es sich nicht nehmen ließ, beim Dinner der IAA mit zu schlemmen.