© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Millionen für den Haqqani-Clan?
Afghanistan: Die UN will mit Hilfe der Taliban die Not lindern
Curd-Torsten Weick

Afghanistan eine Black Box?  Ein Blick nach Kabul bestätigt dies. Aufmüpfige Frauen werden bei Protesten mit Stöcken und Peitschen traktiert. Journalisten zeigen Folterspuren. In einem Hörsaal der Uni Kabul bejubeln Burkaträgerinnen die neue Taliban-Regierung. Auf der anderen Seite berichtet der Nachrichtensender Tolo News von einer Pressekonferenz in Kabul, auf der eine Reihe von Jugendlichen und Aktivisten der Zivilgesellschaft erklärten, daß das von den Taliban angekündigte Kabinett nicht integrativ sei und keine Minderheiten, Jugendliche und Frauen einschließe. Die Jugendlichen fordern zudem die Taliban auf, ihre Kabinettszusammensetzung zu überdenken.

Kurz zuvor hatte Bildungsminister Abdul Baqi Haqqani erklärt, daß Frauen an den Universitäten nur noch in nach Geschlechtern getrennten Klassenräumen studieren dürften und daß islamische Kleidung vorgeschrieben sei. Haqqani betonte, der Hidschab werde obligatorisch sein, sagte aber nicht, ob damit das obligatorische Kopftuch oder auch die Gesichtsverhüllung gemeint sei. Wenn es wirklich notwendig sei, könnten auch Frauen unterrichten – aber in „Übereinstimmung mit der Scharia sollten sie den Schleier tragen“.

Haqqani? Das Haqqani-Netzwerk ist zur mächtigsten Gruppe in der neuen Taliban-Regierung aufgestiegen. Vier Mitglieder des Clans wurden zu Kabinettsmitgliedern ernannt. Neben Abdul Baqi ist Sirajuddin Haqqani der neue Innenminister. Er steht seit 2007 auf der Liste der von den Vereinten Nationen als Terrorist eingestuften Personen. Dessen Onkel Khalil-ur-Rahman Haqqani ist als Minister für Flüchtlinge ernannt, wurde 2011 in den USA als Terrorist gelistet. Das US-Finanzministerium hat ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf Khalil-ur-Rahman Haqqani ausgesetzt. Auch Najibullah Haqqani, Minister für Kommunikation, steht seit 2001 auf der Terrorliste.

Trotz alledem rief UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Teilnehmer der UN-Vollversammlung dazu auf, dem afghanischen Volk humanitäre Hilfe zu leisten. Zudem forderte er die Taliban auf, Hilfsorganisationen zu erlauben, Bedürftigen zu helfen. Auf der UN-Geberkonferenz am Montag wurden dann 846 Millionen Euro Afghanistanhilfe zugesagt. Berlin will 100 Millionen Euro beisteuern und stellt zudem „weitere 500 Millionen“ in Aussicht. „Wir stehen in dieser Zeit an der Seite des afghanischen Volkes, leisten humanitäre Hilfe und gehen weiterhin auf seine langfristigen Entwicklungsbedürfnisse ein“, unterstrich der Direktor der Internationalen Organisation für Migration (IOM) António Vitorino. Parallel dazu meldete Tolo News: „Privatsektor warnt vor wirtschaftlichem Zusammenbruch Afghanistans.“