© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Bitcoin ist anerkanntes Zahlungsmittel in El Salvador und der Ukraine
Das Ziegen-Experiment
Thomas Kirchner

Die Kryptowährung Bitcoin ist seit vergangener Woche in El Salvador gesetzliches Zahlungsmittel und in der Ukraine nun offiziell anerkannt – zusätzlich zum US-Dollar bzw. zur 1996 eingeführten Landeswährung Griwna (Hryvnia/UAH). Wie Ecuador im Jahr 2000 und Panama 1904 hatte El Salvador 2001 seine eigene Währung Colón abgeschafft und durch den Dollar ersetzt.

Parallelwährungen sind nicht neu. Im 19. Jahrhundert waren in Frankreich sowohl Gold als auch Silber (Bimetallismus) Zahlungsmittel. Da das Tauschverhältnis festgelegt war, wurde das Gold ins Ausland exportiert – ähnlich wie heute feste Wechselkurse zu Währungskrisen führen. Der Deutsche Zollverein führte 1857 mit dem silbernen Vereinstaler eine Parallelwährung ein. Der Bitcoin hat kein festes Tauschverhältnis, sein Wechselkurs schwankte seit Januar zwischen 30.000 und 60.000 Dollar. Das Kryptogeld wird daher von manchen Ökonomen als Währung für ungeeignet erachtet (JF 13/21). Doch auch die Griwna schwankt, sie hat seit 2008 mehr als 400 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren.
Im Januar 2019 kostete ein Bitcoin hingegen noch weniger als 5.000 Dollar. Sollten sich ähnlich große Preissprünge wiederholen, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß viele Sparer lieber die Digitalwährung als Dollar oder Griwna halten. Zumal drei Viertel der 6,8 Millionen Salvadorianer kein Bankkonto besitzen. Das rächt sich insbesondere bei Auslandsüberweisungen: Ein Viertel der Wirtschaftsleistung des Landes wird von im Ausland lebenden Verwandten überwiesen, meist aus den USA. Dabei fallen hohe Gebühren an, besonders wenn der Empfänger kein Konto hat. Eine digitale Lösung dieses Problems ist naheliegend. 400 Millionen Dollar pro Jahr könnten die Bürger so künftig sparen, verspricht der salvadorianische Präsident Nayib Bukele. Bitcoin bietet den Vorteil, daß bereits eine vergleichsweise robuste Infrastruktur besteht und nicht erst neu entwickelt werden muß.

Viele afrikanische Staaten hingegen haben unter ähnlichen Bedingungen auf Finanzdienstleistungen per Mobiltelefon gesetzt, was aber nach wie vor Vertrauen in örtliche Banken und Währung voraussetzt. Doch Bitcoin ist für Nicht-Informatiker schwer direkt zugänglich, weshalb Normalbürger üblicherweise Konten bei Kryptobörsen anlegen, die wie Banken für Bitcoin agieren. El Salvador bietet seinen Bürgern deshalb spezielle Automaten an, an denen man Bitcoins in Chivo Wallets („Ziegen-Portemonaies“) speichern kann. Kryptowährungen stehen allerdings von vielen Seiten unter Druck: Geldwäsche sollen sie ermöglichen, der Stromverbrauch für die langwierigen elektronischen Berechnungen sei zu hoch, sie seien ein Risiko für die Finanzstabilität. Diese Befürchtungen sind sicher übertrieben. Doch die Angst, Renten könnten künftig in Bitcoin gezahlt werden, die dann an Wert verlieren, ist nicht irrational. Zahlreiche Salvadorianer protestierten deshalb gegen die Bitcoin-Einfühung.

Ob Bitcoin als echtes Zahlungsmittel brauchbar ist und von breiten Schichten akzeptiert wird, könnte sich jetzt in der Praxis in El Salvador und der Ukraine zeigen. Staaten wie China haben Kryptos extrem reguliert. Doch Peking müßte wohl eine Kehrtwende hinlegen, wenn sich das Experiment bewährt. Zudem mischen immer mehr Anleger Bitcoin, Ethereum & Co. ihren Portfolios bei. Die Akzeptanz in der Vermögensverwaltung dürfte letztlich die Zukunft der Kryptowährungen bestimmen.