© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Vor etlichen Jahren notierte ich hier in dieser kleinen Kolumne Betrachtungen über den Schmerz. Anlaß war ein heftiger Lendenwirbelvorfall und die Verwunderung darüber, wie Geistesheroen seit der Antike immer wieder den Schmerz als „großen Lehrmeister“ des Lebens gewürdigt haben, von Aristoteles über Immanuel Kant, Goethe und Heidegger bis zu Ernst Jünger. Im Widerspruch zu jeglicher vermeintlicher Sinnstiftung lautete meine Botschaft damals bodenständig: Schmerz ist Mist! (Streifzüge vom 8. Juli 2016). Heute nun, fünf Jahre später, ist es nicht der Rücken, sondern sind es die Zähne. Ein Umstand, der es nicht besser macht; vielleicht sogar im Gegenteil. Wenn der Rücken mitspielt, kann man bei Zahnschmerzen um so leichter die Wände hochkraxeln. Wie sagt doch Leonato, der Gouverneur von Messina, in Shakespeares Komödie „Viel Lärm um nichts“ zu seinem Bruder Antonio? „Denn noch bis jetzt gab’s keinen Philosophen, der mit Geduld Zahnweh konnt’ ertragen, ob sie der Götter Sprache gleich geredet und Schmerz und Zufall als ein Nichts verlacht.“

Lieber Eckhard Henscheid, Ihr bissiger Rundumschlag in dieser Zeitung gegen Angela Merkel bleibt unvergessen.
Der Schweizer Monat versteht sich als Autorenzeitschrift, in der liberale Stimmen aus Politik, Wirtschaft und Kultur zu Wort kommen. In der September-Ausgabe schreibt dort die Psychologin und Psychotherapeutin Ruth Reichmuth aus dem Kanton Zug mit Blick auf eigene Praxiserfahrungen über das in der Corona-Pandemie ausgehebelte Recht auf Selbstbestimmung: „Die Impffrage konfrontiert uns mit einer Vergangenheit, die längst überwunden schien: ‘Mein Körper gehört mir!’ war die zentrale Forderung der Frauenbewegung in den 1970er Jahren. Sie führte zu einem gesellschaftlichen Bewußtsein, das körperliche und gesundheitliche Selbstbestimmung als Grundrecht schützt. Im Kontext der Coronakrise zeichnet sich im privaten und öffentlichen Bereich eine katastrophale Wende ab: Entmündigung, Manipulation und Übergriffe werden mit dem Argument der gesellschaftlichen Solidarität legitimiert und zur Norm erhoben. Ethisches Handeln setzt jedoch verantwortungsvolle Selbstbestimmung voraus, die auf uneingeschränkter Akzeptanz der anderen Person mit ihren Rechten und Grenzen beruht. Sich daran zu erinnern ist ein erster Schritt in die gesellschaftliche Normalität und demokratische Freiheit.“

Lektüretip: „Februar 33. Der Winter der Literatur“ von Uwe Wittstock (C.H. Beck, München, 288 S., geb., Abb., 24 Euro). Der Feuilletonjournalist entfaltet darin ein auf Archivmaterial gestütztes Mosaik, wie Schriftsteller im ersten Monat nach der nationalsozialischen Machtübernahme jene Zeitenwende erlebten.

Lieber Eckhard Henscheid, zu Ihrem 80. Geburtstag am Dienstag dieser Woche von hier aus die herzlichsten Glückwünsche nachträglich. Ihr herzhaft-bissiger Rundumschlag in dieser Zeitung vor der Bundestagswahl im September 2009 über den „entsetzlichen“ Wahlkampf und die Kanzlerin Angela Merkel, der für großen Wirbel sorgte, bleibt unvergessen („Nein, es geht nicht mehr“, JF 27/09).