© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

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US-Professor beklagt geistiges Klima an der Uni

PORTLAND. Der US-amerikanische Philosoph und Pädagoge Peter Boghossian (55) hat der Portland State University im Bundesstaat Oregon vorgeworfen, statt Wissen bloß Ideologien zu vermitteln und ein Klima zu schaffen, in dem Studenten sich nicht trauen würden, offen zu sprechen. „Sie hat eine Bastion der freien Forschung in eine Fabrik verwandelt, deren einziger Input Rasse, Geschlecht und Opferrolle waren und deren einziger Output Mißgunst und Spaltung war“, schrieb er in einem offenen Brief, mit dem er zugleich seinen Rücktritt als Professor mitteilte. Die Fakultät und die Verwaltung hätten den Auftrag der Universität, nach Wahrheit zu suchen, aufgegeben und förderten stattdessen die Intoleranz gegenüber abweichenden Überzeugungen und Meinungen, beklagte Boghossian weiter. „Während meiner Zeit an der Portland State University habe ich schon früh Anzeichen für den Illiberalismus bemerkt, der die Hochschule inzwischen völlig vereinnahmt hat. Ich habe Studenten erlebt, die sich weigerten, sich mit anderen Standpunkten auseinanderzusetzen“, führte er weiter aus. Kollegen seien Kritik ausgesetzt gewesen, weil sie ihren Studenten Texte von europäischen Philosophen zugewiesen hatten. Da ihm während seiner zehnjährigen Arbeit an der Universität immer mehr Zweifel gekommen seien, habe er sich mit den neuen Werten der Hochschule kritisch befaßt. „Je mehr ich das Primärquellenmaterial las, desto mehr vermutete ich, daß die Schlußfolgerungen die Postulate einer Ideologie widerspiegelten und nicht auf Beweisen basierende Erkenntnisse“ waren. Boghossian schilderte, auch im Interview mit dieser Zeitung (JF 8/19), wie er mit anderen Autoren zur Entlarvung dieser Ideologie absichtlich fehlerhafte und unwissenschaftliche Aufsätze bei renommierten Forschungsmagazinen einreichte. „Im Jahr 2018 war ich Mitverfasser einer Reihe absurder oder moralisch verwerflicher Artikel in Fachzeitschriften, die sich mit Fragen der Rasse und des Geschlechts befaßten. In einem davon argumentierten wir, daß es eine Epidemie von Vergewaltigungen unter Hunden in Hundeparks gibt, und schlugen vor, Männer an die Leine zu nehmen, so wie wir Hunde an die Leine nehmen.“ Einige dieser Texte wurden veröffentlicht. Sie sorgten nach Bekanntwerden der Hintergründe für eine Kontroverse über die Arbeitsweise der Fachmagazine und im Wissenschaftsbetrieb. Wegen seiner Kritik an den Zuständen im Wissenschaftsbetrieb und dem Meinungsklima an den Universitäten sei er in den folgenden Jahren massiven Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Von der Hochschulleitung habe er keine Unterstützung erfahren. Auch der kanadische Politikwissenschaftler Eric Kaufmann (51) warnte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT vor der zunehmenden Unfreiheit an den Universitäten: „Boghossians Rücktritt ist ein tragisches Armutszeugnis für die heutige autoritäre Linke. Er hat nichts Falsches getan.“ Der Philosoph habe lediglich „die illiberale Politik der Linken“ kritisiert, etwa die obligatorische Befolgung „der kultursozialistischen Ideologie von Gleichheit und Vielfalt“. Das sei ihm zum Verhängnis geworden. „Aufgrund seiner Bereitschaft, sich der hegemonialen Ideologie auf dem Campus öffentlich zu widersetzen, wurde er von einem radikalen Mob belästigt.“ Das Vorgehen der Portland State University und ihrer Studenten erinnere Kaufmann „an das der chinesischen Roten Garden, die während der Kulturrevolution mit den maoistischen Behörden zusammenarbeiteten, oder an das der iranischen Republikanischen Garde und der Mullahs“. (ag/ha)