© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Showkampf vor den Kameras
Wahlkampfberichterstattung: Die AfD bleibt ausgegrenzt
Ronald Berthold

Im Duden steht so ziemlich alles. Sogar das falsche „Menschin“ hat es in das Nachschlagewerk geschafft. Ein Begriff aber fehlt, dabei könnte er es zum „Wort des Jahres“ bringen: „Triell“. Die Schöpfung von Journalisten, um die Erweiterung des Fernseh-Schaulaufens von zwei auf drei Kanzlerkandidaten auf den Punkt bringen zu können, ist nicht die einzige Veränderung, die dieser Wahlkampf der Medienszene beschert.

Plötzlich mischt das aufmüpfige Bild TV (JF 35/21) mit, stellt jedem Politiker unangenehme Fragen und könnte glatt „Hart, aber fair“ heißen, wäre der Titel nicht schon an eine langweilige ARD-Talkshow vergeben. Dort, wie auch sonst bei den Öffentlich-Rechtlichen, packt man Politiker weichgespült, also „fair“, aber nie hart an. Es sei denn, sie kommen – selten genug – von der Oppositionsführerin. Daß das Springer-Fernsehen nun die gemeinsame Blase aus Politik und Journalisten aufmischt, gefällt nicht jedem. Der MDR retuschierte in einem Beitrag das Bild-Logo vom Mikrofon, so daß es verschwand. Nicht die einzige Manipulation: Beim RBB verkleidete man einen Grünen-Abgeordneten als Radfahrer, damit der vom Standpunkt eines Bürgers die grüne Verkehrspolitik der Hauptstadt loben konnte.

Neu ist auch, daß es gleich drei dieser „Trielle“ gibt – das letzte am Sonntag auf ProSieben und Sat1. Angela Merkel hatte sich stets verbeten, sich mehr als einmal diesem Format, damals noch „Duell“, zu stellen. Daß es mehrere dieser Sendungen gab, liegt 19 Jahre zurück.

Aus der Sicht professioneller Medienbeobachter erleben die Deutschen trotz der Flut der Polit-Sendungen keinen echten Wett-, sondern mehr einen Showkampf. Journalistik-Professor Michael Haller kritisiert, daß „in den Interviews und Talkrunden vor allem Belanglosigkeiten bequatscht“ werden. Themen, die für die Zukunft und damit für die Wahlentscheidung Relevanz haben, blieben außen vor. Verantwortlich seien die Medien.
Einen einfachen Grund dafür nennt der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler im Cicero: „Weil die Sachfragen komplexer werden und die wissenschaftliche Expertise widersprüchlich ist, haben die Medien den aktuellen Wahlkampf auf Köpfe und Personen zugeschnitten.“ Richtig ist, daß eine Analyse der Inhalte in den Hintergrund rückt. Programme und Inhalte zählen weniger als Körpersprache und Rhetorik.

Trotz Flut an Polit-Shows gibt es kaum etwas Neues

Beim Kampf dreier farbloser Köpfe um das Kanzleramt haben die Journalisten dem bis dahin als Merkelianer eher hofierten CDU-Kandidaten Armin Laschet die Rolle des Buhmanns zugedacht. Dabei bietet der NRW-Ministerpräsident weder mit seiner inhaltlichen Leere noch mit seiner persönlichen Umgänglichkeit echte Angriffsflächen. Aber er kann machen, was er will – selbst die kleinste Kleinigkeit wird zum Skandal aufgebauscht.

Verliert die Union die Wahl, dann nicht nur, aber auch deshalb, weil die Medien sich auf Rot-Grün-Rot festgelegt haben. Eine repräsentative Umfrage der dpa-Tochter „news aktuell“ und des Meinungsforschungsinstituts Civey unter „500 Fachkräften aus Kommunikation, PR und Medien“ ergab, daß sich die meisten Befragten Annalena Baerbock als Kanzlerin wünschen. Laschet trägt mit 12,2 Prozent abgeschlagen die rote Laterne. Bei der Parteipräferenz liegen SPD und Grüne deutlich vorn. Die CDU fanden nur 13,5 Prozent der Medienleute wählbar. Vertreter der Schwesterpartei CSU sind dagegen inzwischen gerngesehene Gäste in den Talk-runden. Müssen sich die Journalisten doch – dank Markus Söder – gar nicht erst groß anstrengen, ihnen ablehnende Äußerungen zum gemeinsamen Spitzenkandidaten zu entlocken.
Mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verbindet Laschet zwar programmatisch überhaupt nichts, dafür teilt er mit ihm die Abneigung, die ihm die Medien entgegenbringen. Während der Amerikaner das mit Gegenangriffen durchaus zu seinem Vorteil nutzen konnte, hütet sich Laschet vor jeder Medienschelte und versucht die Anfeindungen servil wegzulächeln. Wie die Umfragen zeigen, scheint das kein gutes Rezept zu sein.

Einen noch härteren Stand, sich über die Medien den Wählern zur präsentierten, hat indes die AfD. Daß Talksendungen auf die Teilnahme von Vertretern der größten Oppositionspartei verzichten, ist bereits seit vier Jahren mehr die Regel denn die Ausnahme. Neu wäre also, wenn ausgerechnet im Wahlkampf mehr Ausgewogenheit in die Berichterstattung einzöge.
Beim ARD/ZDF-Internetfernsehen „Funk“ bekommt jede Partei eine halbe Stunde Zeit, die Wähler von sich zu überzeugen – nur nicht die AfD. Weil der Vorsitzende Jörg Meuthen erkrankte, wollte er Parteifreund Götz Frömming vor die Kameras schicken. Doch der Jugendsender nahm das zum Anlaß, so zu tun, als habe die Partei abgesagt. Die öffentlich-rechtlichen Funker veröffentlichten auf Twitter ein unbeantwortetes Interview mit der Überschrift: „Fragen, die wir der AfD gerne gestellt hätten …“ Die Partei reagierte mit einer Abmahnung, die ihr aber nicht weiterhilft. Sie bleibt ausgegrenzt.