© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Gatekeeper verlieren an Einfluß
Die Newsletter-Plattform Substack revolutioniert die Medienlandschaft und schafft neue Möglichkeiten
Björn Harms

Die 2017 gegründete US-Plattform Substack expandiert weiter. Immer mehr Autoren und Journalisten aus dem Mainstream wandern aus Unzufriedenheit mit den Zwängen herkömmlicher Medienhäuser zur Newsletter-Plattform, die es den Schreibern ermöglicht, Texte auf eigene Faust zu veröffentlichen und sich dafür von ihren Lesern durch ein Abomodell direkt bezahlen zu lassen. Kreative können sich völlig auf das Schreiben konzentrieren, die Software und die Rahmenbedingungen stellt das Unternehmen. Die Vorgänge machen klar: Gatekeeper verlieren weiter an Einfluß. Ein Problem für die Qualität? Der ehemalige Starautor des Rolling Stone-Magazins, Matt Taibbi, der mittlerweile ausschließlich über Substack publiziert, widerspricht: Selektive Berichterstattung gebe es gerade nicht auf Substack, sondern bei großen Medienhäusern, wo nach Gesinnung geschrieben werde. Zudem müßten sich die großen US-Zeitungen die Frage stellen, ob sie die Mächtigen kontrollierten oder selbst zu deren Kontrollorganen geworden seien.

Viele alte Leser folgen offenbar alternativen Wegen: Der Investigativjournalist Glenn Greenwald verkündete etwa vergangene Woche, daß seine Substack-Artikel mittlerweile von fünfmal so vielen Personen gelesen werden wie bei seinem alten Arbeitgeber The Intercept. Ebenfalls wird deutlich, daß für Inhalte auch immer noch gerne gezahlt wird. Bari Weiss etwa, die bei der New York Times kündigte und den Substack-Blog „Common Sense with Bari Weiss“ startete, überzeugte laut dem Branchendienst marketwatch.com in den ersten sechs Monaten ihres Blogs mehr als 14.000 neue Abonnenten, die fünf Dollar im Monat zahlen. Dazu kommen 75.000 nicht-zahlende Abonnenten als regelmäßige Leser ihrer Texte, die nicht hinter einer Bezahlschranke stehen. Ihre Einnahmen sollen jährlich bei mehr als 800.000 Dollar liegen. Tendenz steigend. Selbst die Historikerin Heather Cox Richardson schaffte es im vergangenen Jahr, ausschließlich mit Geschichtstexten über eine Million Dollar über Substack zu verdienen.