© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Freiheit in Gefahr
Viktor Timtschenko befürchtet das Abdriften in den Sozialismus
Karsten Hoffmann

Es spricht Bände, daß immer wieder Zugewanderte den „schon länger hier Lebenden“ (A. Merkel) den Spiegel vorhalten müssen. Ob der Youtuber Feroz Khan, der Filmemacher Hamed Abdel-Samad oder die Autorin Laila Mirzo – sie alle bewegt die Sorge, daß die in ihrer neuen Heimat gewonnene Freiheit nicht von Dauer sein könnte.
Auch der ukrainisch-stämmige Journalist Viktor Timtschenko gehört in diese Reihe kritischer Stimmen. Mit seinem jüngst erschienenen Buch „Sozialistische Scharlatane haben Deutschland gekapert“ skizziert er das Abdriften der freiheitlichen Demokratie in den Sozialismus. Das klingt dramatisch – und ist auch so gemeint. Akribisch zeichnet Timtschenko eine in den sechziger Jahren beginnende Linksverschiebung des politischen Spektrums nach – von der Frankfurter Schule, Adorno und Horkheimer, über die Entstehung der Grünen bis zu „Fridays for Future“ und der immer weiter nach links rückenden CDU/CSU.

Der ehemalige ukrainische Fernsehmoderator Timtschenko weiß, was es bedeutet, in einer sozialistischen Diktatur zu leben. Und er erkennt Parallelen zu den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen. Aber der Autor verharrt nicht im Lamento. Stattdessen erarbeitet Timtschenko Ansätze, dem Linkstrend entgegenzuwirken, wie etwa die Gründung konservativer Thinktanks, die Intensivierung internationaler Kooperationen, eigene Videoplattformen, Verlage, Bands, Clubs und wissenschaftliche Institutionen. Allerdings geht Timtschenko dabei von zweifelhaften Grundannahmen aus. Wenn er etwa meint, die Konservativen stünden für die „schweigende Mehrheit“, dann übersieht er, daß mindestens zwei Drittel der Deutschen nicht konservativ wählen. Wenn er die Medien als „gleichgeschaltet“ bezeichnet, dann ignoriert er, daß die meisten Journalisten sich als links verstehen (mehrere Studien belegen dies) und schlichtweg schreiben bzw. sagen, was sie denken. Der Ausbau einer konservativen Infrastruktur allein wird das Problem folglich nicht lösen können.

An manchen Stellen des Buches schießt der Autor deutlich über das Ziel hinaus, so zum Beispiel wenn er fordert, Selbstschutz-einheiten aufzustellen, die „im Fall sozialistischer Straftaten für adäquate Antwort sorgen“. Auch seine Ausführungen zum vermeintlichen Kalergi-Plan einer konzertierten Zerschlagung der Nationalstaaten führen in der Sache nicht weiter. Ein Lektorat eines renommierten Verlages hätte aus Timtschenkos Text ein Buch mit hohem Verkaufspotential machen können. Aber an dieser Stelle schließt sich der Kreis seiner Argumentation: Wegen seiner konservativen Grundausrichtung hätte er bei diesen Verlagen von vornherein keine Chance gehabt.

Viktor Timtschenko: Sozialistische Scharlatane haben Deutschland gekapert. Media 2021, broschiert, 216 Seiten, 12 Euro