© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Frisch gepreßt

Schweden retten. Nach 1945 stieg das Königreich Schweden durch seine großzügige Entwicklungshilfe- und Einwanderungspolitik zur humanitären Supermacht auf. Daß es zuvor einmal ein Herzland der global organisierten rassenhygienischen Bewegung war, ist indes dem nationalen Gedächtnis heute entfallen. Insoweit eröffnet Maja Hagermans wissenschaftshistorische Studie über den Rassenbiologen Herman Lundborg (1868–1943) einen Zugang zu einem eher dunklen Abschnitt schwedischer Geschichte. 1922 wurde in Uppsala das weltweit erste, von Lundborg geleitete, staatlich finanzierte Rassenbiologische Institut eröffnet. Sein Auftrag war es, „das schwedische Volk zu retten“, das infolge von Industrialisierung und Verstädterung zu „degenerieren“ drohte. Was nach Auffassung Lundborgs – dessen Institut von sozialdemokratischen Regierungen finanziert und von den sozialtechnologisch ambitionierten Architekten des schwedischen „Volksheims“ unterstützt wurde –, nur durch „Aufartung rassisch Wertvoller“ und „Ausmerzung Minderwertiger“ zu verhindern sei. Angesichts der „weltweiten Renaissance völkischen und rassistischen Denkens“, verspricht Hagerman, könne man sich mit ihrem Buch gegen die „mythische Urkraft“ rassenbiologischer Sozialutopien immunisieren. Vielleicht auch gegen den faulen Zauber des ihnen zum Verwechseln ähnelnden neuen „sozialen Experiments“ vom Typ „Großer Austausch“. (wm)

Maja Hagerman: Herman Lundborg. Rätsel eines Rassenbiologen. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2021, gebunden, 480 Seiten, Abbildungen, 43 Euro





Freiheitsrechte. „Mit unserer Verfassung läßt sich nicht verhandeln.“ Das ist der Tenor, den Wolfgang Kubicki in seinem Buch über die „erdrückte Freiheit“ vermittelt. Während der Corona-Krise erlebten die Bürger in Deutschland die schwersten Grundrechtseinschränkungen seit Gründung der Bundesrepublik. Die verfassungsrechtlich verankerte Freiheit verlor im Verlauf der Pandemie immer mehr an Bedeutung, verursacht nicht allein durch politische Entscheidungsträger. Gesellschaftlichen und medialen Widerstand gab es nur selten, die Selbstverständlichkeit von Einschränkungen hielt Einzug. Kubicki hinterfragt, wie Freiheitsrechte der deutschen Verfassung so schnell in Vergessenheit geraten konnten. Das Werk liest sich nicht nur als Analyse der Versäumnisse während der Krise, sondern auch als Plädoyer: Nur eine Gesellschaft, die die Idee der Freiheit im Herzen trage, könne die Corona-Pandemie mit ihren Begleiterscheinungen wie Moralismus, Angstmache und Ausgrenzung überwinden. (es)

Wolfgang Kubicki: Die erdrückte Freiheit. Wie ein Virus unseren Rechtsstaat aushebelt. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2021, broschiert, 128 Seiten, 14 Euro