© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Edles ordentlich verpackt
Duft, Schrift und Bilder: Alte Zigarrenkisten bieten eine Reise in vergangene Zeiten
Martina Meckelein

Ihre Bestimmung ist die Bewahrung: Ein fast federleichtes Schächtelchen aus spanischem Zedernholz. Rechteckig ist es, beklebt mit allerlei farbenprächtigen Banderolen, auf denen phantasievolle Wappen, ehrwürdige Porträts und große Siegelmarken zu bestaunen sind. Diente sie vor Urzeiten dem sicheren Transport des braunen Goldes, fristet sie heute ein meist verstaubtes Dasein in der hintersten Kellerecke und bietet bröseligen Gummibändern oder verrosteten Nägeln eine Heimstatt. Doch dafür ist sie eigentlich viel zu schade – und ein wenig ist es auch unter ihrer Würde. Die Rede ist, Sie, liebe Leser erahnen es schon, von der Zigarrenkiste. Eine kurze Betrachtung über eine deutsche Erfindung.

Zwar wird seit 400 Jahren in Deutschland selbst Tabak angebaut, doch die Qualität des Überseetabaks ist unübertroffen. Verarbeitet wurde er in Europa, schon allein wegen der geringen Einfuhrzölle auf Rohtabak. In Deutschland war Ostwestfalen, das zu Preußen gehörte, ein Schwerpunkt der Tabakverarbeitung. Der Hauptumschlagplatz für Tabak aus Übersee war schon Anfang des 19. Jahrhunderts Bremen. Und so ist es nicht verwunderlich, daß es ein Bremer war, dem eine geniale Idee kam. Sein Name: Hermann Dietrich Upmann. Er war der erste Deutsche, der eine Tabakplantage auf Kuba betrieb. Doch er reiste 1848 wieder zurück aus Übersee, weil er das dortige Klima nicht vertrug. Bei Upmanns blieb allerdings alles in der Familie, und so führte sein jüngerer Bruder nun die Plantage.

Die Nachfrage nach Tabak aus Kuba, aber auch den US-Südstaaten explodierte in Europa. Wollen wir uns vorstellen, daß der zurückgekehrte Hermann Dietrich, im heimischen Bremen wieder angekommen, daheim in einem Ledersessel im Rauchsalon saß, eine seiner schon damals berühmten, wir befinden uns im Jahr 1856, Upmanns paffend. Während er dem würzig duftenden Rauch seiner Zigarre nachschaute, der sich einen Weg zu den schweren Brokatvorhängen bahnte, mag er darüber nachgedacht haben, wie er einerseits die steigende Nachfrage befriedigen und andererseits seine Zigarren besser vor Transportschäden schützen konnte. Upmann, ganz Unternehmer, gründete nicht nur eine Bank, sondern gleich auch eine Reederei zum Transport der Zigarren, und darüber hinaus erfand er die Zigarrenschachtel aus Zedernholz. Dieses Holz duftet nicht nur wunderbar und ist nicht nur leicht, sondern ermöglicht einen besseren Schutz vor Wind und Wetter, und darüber hinaus erhält es auch die Feuchtigkeit der Zigarre.

Sammlermarkt im Internet

Die Holzkisten waren zu Beginn ihrer Karriere noch schlicht und unbedruckt. Das sollte sich jedoch schnell ändern. Allerdings wurde und wird bis heute auf den Schachteln nicht wie wild herumgemalt und gekleistert. Es geht schließlich um die repräsentative Inszenierung des edlen Produktes. Alles hat ein System und eine Schachtel sechs Seiten. Es ist fast eine Wissenschaft für sich. Bei den kubanischen Zigarrenkisten sieht das dann folgendermaßen aus: Der Platz für das Firmenlogo ist auf dem Deckel, auf spanisch Cubierta. Öffnet man ihn, sieht man die Vista, dort prangt noch einmal das Logo mit leichten Veränderungen in der Darstellung. Alle Kanten sind mit Papierstreifen, sogenannten Filetes beklebt, die die Zigarrenkiste versiegeln. Die kurzen Seiten der Kiste heißen Costero, die langen Seiten Larguero.

50 Stück paßten in die abgebildete Otto-Boenicke-Kiste. An der langen Seite, also der Larguero steht „Claro“. Es gibt sieben Zigarrenfarbtöne, „Claro“ ist der hellste. Und das bedeutet, daß diese Zigarren, die samt Kiste verkauft wurden, sehr mild waren. Dazu, wie es auf der Kiste noch zu lesen ist, war der Tabak von einem „Sandblatt“ umhüllt. Das sind die bodennahesten Blätter der Tabakpflanze, also die, die mit der Erde in Kontakt geraten, nur einwandfreie wurden zum Deckblatt gekürt.

Die Kisten konnten natürlich auch ein politisches Statement vertreten. Wer eine Zigarre rauchte, zum Beispiel die „von Hindenburg“ aus dem Hause Otto Boenicke, fühlte sich unter den Umständen der Jahre zwischen 1927 und 1945, aus dieser Zeit stammt die Kiste, dem alten Reichskanzler verbunden. 25 Reichspfennige kostete der „Paule“ pro Stück. Nun, es wurden auch der Consul, der Imperator oder Helm Zwo angeboten.

Heute finden sich die Kisten auf Verkaufsplattformen im Internet wieder. Zwischen 3 und 15 Euro kosten ältere Schmuckstücke aus vergangenen Zeiten des Herrenzimmers. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß als besonderes Qualitätsmerkmal des Angebots beispielsweise hervorgehoben wird, es stamme „aus einem tierfreien Nichtraucherhaushalt“.