© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/21 / 17. September 2021

Haltungsnote
Eins auf die Glocke
Gil Barkei

Diese ganzen Kirchtürme und ihre Glocken samt des Geläuts, braucht man die eigentlich noch in Zeiten der Konsumkathedralen, oder kann das weg? So oder so ähnlich dachte sich wohl ein anonymer Schreiber, der sich an den Pfarrer der Evangelischen Johanneskirchengemeinde in Wiesbaden, Stephan Da Re, gewandt hatte und als einer von mehreren direkt betroffenen Nachbarn einmal fragen wollte, ob „dieser allabendliche Lärm wirklich sein“ müsse. Schließlich finde zu dieser Zeit gar kein Gottesdienst statt, weshalb es doch auch keinen Grund für das Geläute gebe.
Ist man momentan von den kirchlichen Würdenträgern zwar einiges an zeitgeistiger Unterwürfigkeit gewohnt, so hielt Da Re jedoch nicht die Wangen hin. Beim Läuten der Glocken zwischen 18.55 und 19 Uhr handle es sich um das Stundengeläut, „wie es in unserem Kulturkreis seit Jahrhunderten üblich ist“, ließ er den „genervten Nachbarn“ wissen. „Als Christen erinnern wir daran, wem wir unser Leben verdanken und welche Verantwortung sich daraus ableitet. Die Glocken erinnern daran, daß die vergehende Zeit von Gott geschenkte Zeit ist. Unser Geläut geht in das abendliche Glockengeläut von St. Michael über, die mittags um 12.00 Uhr und abends um 19.00 Uhr läuten, so daß sich ein Glockenband über den Stadtteil legt.“
Unabhängig davon seien alle Kritiker des Geläuts eingeladen, ihn einfach einmal persönlich anzusprechen.